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Der gelbe Sack
Bild: Hanne Hasu/Pixabay

Der gelbe Sack

Jens Haupt
Ein Beitrag von Jens Haupt, Evangelischer Pfarrer, Kassel
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Unser Verpackungsmüll wird regelmäßig abgeholt. Dazu muss er in einem gelben Plastiksack an den Straßenrand gelegt werden. Das habe ich gemacht.

Weil ich ein netter Mensch bin, lege ich unseren Gelben Sack zu den anderen, die schon auf der gegenüberliegenden Straßenseite abgelegt wurden. Dann müssen die Stadtreiniger nur noch an einer Stelle einsammeln.

Dachte ich.
Das war ein Fehler.

Kaum war ich wieder in der Wohnung, gab es schon eine erboste Frauenstimme auf dem Anrufbeantworter: Sagen Sie Ihrem Mann, er soll sofort den Müll wieder von unserem Grundstück wegholen. Sonst gibt es eine Anzeige!

Das war keine Bitte, das war kein freundlicher Hinweis, das war ein Befehl.

Mit detektivischer Vorarbeit: In Rekordzeit musste die Dame unsere Namen -wir haben verschiedene Nachnamen- recherchiert und die dazugehörige Telefonnummer rausgefunden haben. Seltsamerweise war es ausgerechnet die Geschäftsnummer meiner Frau, auf der der Anruf landete.

Ein hoher Aufwand mit viel Zorn. Meine kluge Frau hat nach einem tiefen Atemzug zurückgerufen. Sie würde sich schon sehr über den Umgangston wundern. Und selbstverständlich würde der Gelbe Sack sofort wieder zurückgeholt werden. Wäre alles kein Problem. Offensichtlich gäbe es aber auch Ärger, der mit uns gar nichts zu tun hätte, den wir aber nun abbekommen hätten.
So allmählich ruderte die nachbarliche Dame dann zurück und erholte sich von ihrem Zorn. Das ging wohl deshalb am besten, weil meine Frau nicht mit Zorn geantwortet hat. Sie hat sich von der pampigen Art nicht anstecken lassen.

Bis heute haben wir unsere Nachbarin nicht kennengelernt. Schade, wir haben eine Klingel an der Wohnung, der Weg wäre kurz gewesen. Und wenn wir uns eines Tages begegnen sollten, würde ich mich vielleicht trauen, ihr die Weisheit aus der Bibel zu erzählen die heißt: Lass die Sonne nicht über deinem Zorn untergehen. Immerhin, über ihrem Zorn ist die Sonne ja nicht untergegangen. 

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