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Der Arzt, der Corona zuerst bemerkt hat
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Der Arzt, der Corona zuerst bemerkt hat

Ein Beitrag von Veit Dinkelaker, Evangelischer Pfarrer und Referent am Bibelhaus Erlebnis Museum Frankfurt
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„Bin ich Jesus?“, haben meine Kinder früher gesagt, wenn ich etwas von ihnen gefordert habe, was in ihren Augen zu anstrengend war. Bin ich Jesus? Das sollte heißen: Was du, Papa, da von mir verlangst, das ist übermenschlich. Ich kann keine Wunder tun. Jesus ging übers Wasser. Jesus heilte Kranke. Jesus hat mit fünf Broten und zwei Fischen fünftausend Menschen satt gemacht (Markus 6,35-44). Lauter Wunder.

Ein Arzt schlägt Alarm

Ein Wundertäter ist niemand von uns. Aber die Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden und Wissenschaftler leisten derzeit schier Übermenschliches, um Menschenleben zu retten. Der erste von ihnen war der chinesische Augenarzt Li Wenliang in der Stadt Wuhan. Er hat Alarm geschlagen, als er vor vier Monaten, im Dezember 2019, eine seltsame Häufung von Lungenerkrankungen festgestellt hat. In einer Chatgruppe warnte er Kollegen per Handy: „Da vermehrt sich etwas in unklarer Weise. Ist gefährlich.“ Heute hat das Virus den Namen SARS-Corona-Virus-2 und hat die ganze Welt im Griff.

Selbst die Jünger Jesu sind skeptisch

Der Augenarzt Li Wenliang stieß am Anfang auf massiven Widerstand. In der Bibelgeschichte, wie Jesus mit ganz wenig viele satt macht, sind es die Jünger von Jesus, die erst einmal mit Abwehr reagieren. So viele Menschen haben Hunger. So viele erwarten, dass ihnen geholfen wird. Auf die Not reagieren die Jünger so: „Schick die Menschen nach Hause“, sagen sie zu Jesus. Und fügen das wirtschaftliche Argument hinzu: „Es ist zu teuer, für so viele einzukaufen. Wir haben nur eine begrenzte Menge an Geld.“

Lage-Analysen  - der genaue Blick

Jesus hat anders reagiert. Er schaut hin. Sieht die fortgeschrittene Tageszeit. Weiß, dass es für viele Menschen unmöglich sein wird, noch nach Hause zu kommen. Ahnt den aufkommenden Hunger. Diesen genauen Blick nennt man wohl Lage-Analyse. An ihrem Ende steht die Suche nach Lösungen, die allen dienen.

Li Wenliang zahlte einen hohen Preis

Li Wenliang hatte ebenfalls hingeschaut. Er, der Augenarzt, hat die Augen nicht verschlossen vor der Gefahr im Verzug. Die staatlichen Behörden in China haben ihn am Anfang dafür gemaßregelt. Er musste eine öffentliche Erklärung unterschreiben, dass er sich geirrt habe. Das Foto von ihm ging um die Welt: Atemmaske, große ernste Augen und ein von Fieber und Krankheit gezeichnetes Gesicht. Denn er hatte sich selbst infiziert und starb an der Krankheit, vor der er gewarnt hat. Er wurde 33 Jahre alt. Li Wenliang hat für seinen genauen Blick einen hohen Preis gezahlt: sein Leben - im Einsatz für kranke und mit dem Coronavirus infizierte Menschen. Hätten doch auch andere auf ihn geschaut und gehört!

Jesus hat zu seinen Jüngern gesagt: „Geht und schaut hin.“ Schaut hin, was los ist. Und sucht, was die Not wendet. In der Bibel reichen fünf Brote und zwei Fische. Sie stehen für die kleinen Dinge, die Großes bewirken können.

Genaues Hinschauen ist wichtig

Bin ich Jesus? Nein, das bin ich nicht. Aber ich will von ihm lernen. Hinschauen, was ist um mich herum. Nicht wegschauen, wenn Gefahr im Verzug ist. Im Kleinen dazu beitragen, dass sich Großes verändern kann. Ich glaube: Eine Welt ist möglich, in der Menschen teilen, was sie haben: die Liebe, das Brot, das Wissen über Lösungen, die Hoffnung. So siegt das Leben über den Tod.

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