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Wo kommst du her?
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Wo kommst du her?

Eva Reuter
Ein Beitrag von Eva Reuter, Katholische Pastoralreferentin, Betriebsseelsorge im Bistum Mainz / Regionalstelle Rheinhessen
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Ich würde schon sagen, dass ich neugierig bin. Ich interessiere mich für viele verschiedene Themen und für Menschen und ihr Leben im Allgemeinen und im Besonderen. Und wer neugierig ist, stellt gerne Fragen. „Wieso, weshalb, warum? – Wer nicht fragt, bleibt dumm!“ – so habe ich es schon als Kind beim Titellied der Sesamstraße mitgesungen.

Die Urlaubszeit ist eine besonders gute, interessante Zeit für Neugierige wie mich. Entweder ich bin selbst auf Entdeckungstour in fremden Gegenden oder ich treffe in meiner Heimatstadt Touristen, die mich nach dem Weg fragen und denen ich etwas von meiner Wahlheimat erzählen kann.

In Mainz setzt man sich ja auch gerne in guter rheinhessischer Tradition zu Fremden an den Tisch – auf Berghütten ist das ähnlich. Und eine der ersten Fragen ist dann oft: „Wo kommst du her?“. Bis vor kurzem fand ich die Frage eine ziemlich harmlose, die in eine nette Plauderei einsteigt, weil sie eben nicht zu persönlich ist, aber auch Raum für etwas ausführlichere Antworten lässt.

Du bist nicht von hier

Seit aber die Frage von offenem und verstecktem Rassismus in der Öffentlichkeit stärker diskutiert wird, ist diese Frage nicht mehr harmlos. Also nur noch, wenn ich sie als weiße Frau einem anderen weißen Menschen stelle. Wenn mein Gegenüber eine andere Hautfarbe hat, wird die Frage schwierig. Ich habe gelernt: Diese Frage klingt für viele Menschen mit einer anderen Hautfarbe oder einem anderen Aussehen anders. Sie verstehen diese Frage als ausgrenzend. Dann klingt die Frage nach Ablehnung: „Du bist nicht von hier, du musst aus einem anderen Land kommen!“

Ich finde es empörend und völlig daneben, dass Menschen aufgrund ihres Aussehens in Schubladen gesteckt werden. Und ich finde es schade, dass ich meine neugierige Frage zur Eröffnung eines netten Gesprächs nicht mehr so einfach stellen kann, weil es von vielen eben mit diesen Schubladen verbunden wird. Es macht mich traurig, dass es immer noch für viele Menschen eine Bedeutung hat, welche Hautfarbe jemand hat. Ich wünsche mir, dass Menschen vorurteilsfrei einander begegnen.

Wo ich herkomme – darauf gibt es auch bei mir viele mögliche Antworten. Von meinem derzeitigen Wohnort „Ginsheim“ bis hin zu der Frage nach meinen Wurzeln. Wenn ich diese Frage näher betrachte, komme ich auch aus einer Familie mit „Migrationshintergrund“: Meine Mutter wurde als Kind aus ihrer Heimat im heutigen Tschechien vertrieben. Meine Vorfahren väterlicherseits sind vor einigen hundert Jahren aus den Niederlanden eingewandert.

Das andere Wort für Neugier

Und wenn mir jemand im ökumenischen Kollegenkreis diese Frage stellt, könnte ich vielleicht antworten: „Aus der römisch-katholischen Kirche.“ oder „aus der Seelsorge“. Es gibt so viele Antworten, wo ich herkomme, und alle sagen etwas darüber aus, was mich ausmacht, was mich prägt und wo ich mich festmache.

Ich wünsche mir, dass ich eine Art und Weise finde, diese Frage zu stellen, ohne jemandem das Gefühl zu geben, ihn damit in eine Schublade stecken zu wollen. Ich glaube nämlich, dass ein anderes Wort für „Neugier“ „Anteilnahme“ ist – und die möchte ich anderen Menschen gerne schenken.

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