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Wie ein Windhauch in der Nacht
Bild: rohmbernhard_pixabay

Wie ein Windhauch in der Nacht

Dr. Ansgar Wucherpfennig
Ein Beitrag von Dr. Ansgar Wucherpfennig, Jesuitenpater, Professor für Neues Testament an der Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt
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Am 14. Dezember 1591, heute vor 430 Jahren, ist in der kleinen spanischen Stadt Úbeda einer der bekanntesten christlichen Mystiker gestorben. „Johannes vom Kreuz“ haben ihn seine Brüder genannt, auf spanisch: Juan de la Cruz. Ich mag seine fremde, geheimnisvolle, aber offene und freundliche Art gern, und freue mich immer, in den dunklen Tagen des Jahres an ihn zu denken.

Juan de la Cruz und Teresa von Avila wollen ihre Orden reformieren

Juan war mit Teresa von Avila befreundet, ebenfalls einer spanischen Mystikerin. Beide gehörten dem Karmelorden an und haben ihr Leben der Reform ihrer Gemeinschaften gewidmet. Sie wollten ihren Orden wieder an seine biblischen und spirituellen Wurzeln zurückbringen. Ihr Orden war im 12. Jahrhundert auf dem Berg Karmel in Israel gegründet worden. Daher hat er seinen Namen erhalten. Das biblische Vorbild der Schwestern und Brüder im Karmel war der Prophet Elija, der auf diesem Berg für den Gott Israels eingetreten ist.

Nicht laut und gewaltig, sondern als Stimme eines verschwebenden Schweigens

Die Bibel erzählt von Elija, wie er als Prophet auf dem Berg Karmel das Volk für den Gott Israels gewinnen will, aber dann enttäuscht und niedergeschlagen den Berg verlässt. Er weiß nicht mehr weiter und versteckt sich in einer Höhle auf dem Wüstenberg Horeb. Dort begegnet ihm Gott erneut. Aber nicht mit äußeren, gewaltigen und aufsehenerregenden Zeichen. Gott kommt nicht, indem der Vorhang aufgeht, die Scheinwerfer leuchten und der Theaterdonner einsetzt. Sturm, Erdbeben und Feuer, all das sieht und hört Elija auch, aber darin begegnet Gott ihm nicht. Sanft und mit seinen inneren Sinnen wie in einem leisen Windhauch bemerkt Elija Gott. Als „Stimme eines verschwebenden Schweigens“. So hat der jüdische Religionsphilosoph Martin Buber diese Stelle in der Bibel (1 Kön 19,12) übersetzt. In dieser sanften Stimme hat Elija Gott gespürt.

Im finsteren Kerker spürt er Gott wie einen Windhauch in der Nacht

Elijas Erfahrung in der Bibel ist über die Jahrhunderte hinweg Juans Erfahrungen ganz nahe. Weil er sich für die Erneuerung seines Ordens eingesetzt hat, wurde Juan de la Cruz von seinen eigenen Mitbrüdern ins Gefängnis geworfen. In der Finsternis seines Kerkers und mit vielen Wunden hat er Gott in einer Erfahrung gespürt, die er „die dunkle Nacht der Sinne“ genannt hat. Es war die Erfahrung einer sanften Liebe, für die es das Innere des Menschen braucht, um sie zu spüren. Auch Juan hat sie mit einem leisen Wind verglichen. In einem seiner berühmtesten Gedichte schreibt er: „Wie ein Windhauch in der Nacht,  (…) mit seiner leichten Hand meinen Hals berührte und alle meine Sinne schwinden machte“, so berührt ihn Gott.

Eine ruhige Liebe, die mich leise und stark trägt

Juans Worte von der dunklen Nacht bewegen mich in diesen Wintertagen. Sie machen mich darauf aufmerksam, wo ich in meinen inneren Bewegungen Gottes Liebe spüre. Es ist eine ruhige Liebe, die nicht laut ist, sondern leise und stark. Wenn ich diese leise innere Ruhe spüre, dann weiß ich, dass ich auf einem Weg bin, der mein Leben weiterbringt, dass Gott bei mir ist, der mich auch durch dunkle Zeiten in meinem Leben trägt.

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