Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Milchreis am Sonntag
Bild: Bernadette Wurzinger/Pixabay

Milchreis am Sonntag

Michael Becker
Ein Beitrag von Michael Becker, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
Beitrag anhören:

Vier Töpfchen Milchreis, sagt er, kaufe ich samstags. Immer die gleiche Sorte. Milchreis liebe ich, sagt er, mit Zimt und Zucker. 

Man sieht es dem Mann nicht an. Er ist groß, schlank. Stattlich, sagte man früher. Er geht früh los, samstags. Damit noch alles da ist. Butter, Brot, Obst Käse, und - Milchreis. Zuhause macht er den warm, dann auf den Teller, Zucker und Zimt drüber. Längst nicht so gut wie früher, sagt er, mit Emmi, seiner Frau. Die starb vor acht Jahren, plötzlich. Und kochte den besten Milchreis der Welt. Sämig war der, mit Sahne und Safran. Oder was sonst gelb macht. 

Milchreis isst er, weil der ihm schmeckt. Und wegen Emmi. Sorgfältig stellt er den Teller hin und legt zwei Löffel daneben. Einer für ihn, einen für Emmi. Dann ist sie bei mir, sagt er. Ich will nichts vergessen, so wenig wie möglich. Er wohnt jetzt woanders. Viele Erinnerungen sind weg. Möbel, Zimmer, Vorhänge. Seine Wohnung ist kleiner. Emmis Schrank ist noch da, zwei Bilder von ihr und den Kindern. Die schauen nach ihm. 

Die halbe Küche gibt es noch. Klein, aber fein. Mit vielen Erinnerungen. Tisch, Stühle und - Milchreis. Zwei Töpfchen isst er sonntags, die anderen in der Woche. Mehr wäre ungesund. Emmi ist bei ihm, wenn er genießt. Das klingt bestimmt seltsam, sagt er, es ist mir aber so. Milchreis gegen das Alleinseingefühl. Mir ist dann wohler. Ich spüre sie hier. Und wie sie auf mich wartet, meint er. Ganz ruhig wartet sie da oben. Mein Platz ist ja neben ihr. Wie auf Erden, so im Himmel.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren