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Konrad  sucht sich selbst
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Konrad sucht sich selbst

Charlotte von Winterfeld
Ein Beitrag von Charlotte von Winterfeld, Evangelische Pfarrerin, Frankfurt
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Konrad ist kein normales Kind. Er ist nach den Wünschen eines Ehepaares in einer Fabrik hergestellt worden: ein Instant-Kind. So beschreibt es die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger in ihrem Buch „Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“ von 1975.

Das Kind aus der Konservenbüchse

Die riesige Konservenbüchse mit Konrad landet nicht bei dem Ehepaar, das sie bestellt hat, sondern bei Berti Bartolotti, einer verrückten alleinstehenden Frau. Mit dem Apotheker Herrn Egon geht sie zweimal in der Woche aus. Berti Bartolotti bestellt ständig irgendwelche Sachen aus Katalogen und ist nicht verwundert über die Lieferung der riesigen Konservenbüchse, wohl aber über den Inhalt.

Konrad ist wohlerzogen und brav

Vor ihr steht plötzlich ein siebenjähriger Junge, der absolut brav und wohlerzogen ist und sie „liebe Mutter“ nennt. Berti Bartolotti ist ziemlich überfordert und kauft gleich jede Menge Süßigkeiten für Konrad ein. Konrad allerdings verschmäht die Süßigkeiten, weil sie nicht gut für ein Kind seines Alters sind. Konrad singt kein unanständiges Lied mit ihr mit und kennt keine Schimpfworte.

Eine kleine Familie entsteht

Schnell gewinnt Berti Bartolotti Konrad lieb, verzweifelt aber an seiner Bravheit. Auch Herr Egon liebt den Jungen und wächst in die Vaterrolle hinein. Er ist besonders beeindruckt von Konrads gutem Zeugnis, das mit in der Konservenbüchse steckte.

Konrad wird umerzogen

Eines Tages kommt ein Brief: Die Fabrik hat sich in der Adresse geirrt und fordert Konrad wieder zurück. Da gibt es nur eine Lösung, um ihn zu behalten: Konrad muss umerzogen werden, damit ihn die Fabrik nicht wiedererkennt. Die Nachbarstochter Kitty bringt Konrad schlimme Lieder und Schimpfworte bei.

... und verliert sich selbst

Als der Fabrikdirektor und einige Angestellte Konrad abholen wollen, werden sie von Kitty und Konrad mit Spinat und Himbeerpudding beworfen und mit „Warzenschwein“ und „Trottel“ beschimpft. Schließlich zieht die Mannschaft der Fabrik unverrichteter Dinge ab. Konrad aber hat sich durch die Umerziehungsmaßnahmen selbst verloren.

„Ach, Konrad, das kriegen wir schon hin.“

Am Schluss heißt es: ‚„Muss ich jetzt immer so sein?“ fragte der Konrad. „Gott bewahre!“, rief der Herr Egon. „Muss ich jetzt wieder so wie früher sein?“ fragte der Konrad. „Gott bewahre!“, rief die Frau Bartolotti. Die Kitty legte ihm den Arm um die Schultern und sagte: „Ach, Konrad, das kriegen wir schon hin.“‘ (Christine Nöstlinger, Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse, Hamburg 2006, S. 157)

Konrad ist ein Sinnbild für jemanden, der sich selbst sucht

Ich denke: Konrad ist ein Sinnbild für jemanden, der sich selbst sucht, zwischen all den unterschiedlichen Erwartungen.

Manchmal frage ich mich das auch: Wer bin ich eigentlich? Meine Mutter, mein Mann, meine Kinder, meine Kollegen sehen und möchten mich ein bisschen anders, als ich wirklich bin. Das ist ganz natürlich. Ich glaube, sogar mein eigenes Bild von mir stimmt nicht ganz mit der Realität überein. Ich bin zum Beispiel nicht ganz so selbstlos und zugewandt, wie ich mich selbst sehe. Manchmal weiß ich selbst nicht, was ich möchte. Bei Konrad hilft nur eine Kitty, die sagt: „Das kriegen wir schon hin!“

"Gott begleitet mich, wenn ich mich selbst verliere"

Ich glaube ja: Gott flüstert mir das immer wieder zu: „Das kriegen wir schon hin. Fürchte dich nicht, ich bin bei dir.“ Gott begleitet mich, wenn ich mich selbst verliere.

Er hilft mir, ein Gefühl für mich selbst zu entwickeln. Und wie Gott das macht? Durch Selbsterkenntnis, die er mir ins Herz legt, durch Bücher und durch Filme. Und wie bei dem Buch über Konrad durch „Kittys“, die mir über den Weg laufen.

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