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Kintsugi - Brüche vergolden
GettyImages/riya-takahashi

Kintsugi - Brüche vergolden

Thomas Drumm
Ein Beitrag von Thomas Drumm, Evangelischer Pfarrer, Leiter der Akademiker-SMD, Marburg
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In Japan gibt es eine besondere Tradition: Zerbricht eine Teeschale, die für die Familie wertvoll ist – zum Beispiel weil sie sich schon seit langem im Familienbesitz befindet –, so werden die Scherben nicht weggeworfen.

Die Schale wird repariert. Ein Künstler fügt die Bruchstücke wieder zusammen und flickt die schadhaften Stellen mit einem besonderen Kitt. Aber nicht so, dass die Bruchstellen möglichst unsichtbar sind. Im Gegenteil: Der Künstler mischt dem Kleber und dem Kitt feinen Goldstaub bei. Dadurch werden die Risse und Brüche sogar noch hervorgehoben.

Kintsugi nennen die Japaner diese Technik – auf Deutsch: Goldreparatur. Bei Freunden in unserer Nachbarschaft habe ich so eine mit Gold reparierte Keramik zum ersten Mal gesehen. Ich war begeistert. Die Schale hat ihre gebrochenen Stellen nicht verborgen, sondern offen gezeigt.

Das hat ihrem Aussehen nicht geschadet. Die vergoldeten Risse haben sie zu etwas Einzigartigem und Besonderem gemacht.

Es war, als wolle die Schale sagen: Schau her, an manchen Stellen bin ich gebrochen. Ich habe vieles überstanden in meinem Leben. Es hat Mühe und Zeit gekostet, wieder ganz zu werden. Aber ich schäme dessen nicht. Es hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.

Wie wäre es, wenn wir so unser Leben betrachten: Auch im Fehlerhaften einen Wert sehen. Brüche vergolden. Der französische Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal hat gesagt: „Es ist nicht auszudenken, was Gott aus den Bruchstücken unseres Lebens machen kann, wenn wir sie ihm ganz überlassen.“

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