Jetzt ist Sommer

„Hier lässt sich’s leben. Das ganze Jahr über Sommer“, steht auf dem Werbeplakat eines Reisebüros. Darunter Strand, Palmen und türkisblaues Meer. Jeder Tag ein Sommertag, und das ein ganzes Leben lang? Keine schlechte Idee, denke ich mir.

Aber jeden Tag Sommer, so wie es das Reisebüro verspricht, das gibt es doch nicht, flüstert die realistische kleine Stimme in mir. Auch nicht in den sonnigen Urlaubsparadiesen dieser Welt. Jeder, der schon einmal aus dem Hotelzimmer hinaus in den Regen gestarrt hat, weiß das. Das Leben ist nicht immer unbeschwert – so sehr ich es mir auch wünsche. „Alles hat seine Zeit“, so formuliert es schon ein Beter im Alten Testament: „Geboren werden und sterben, (…) weinen und lachen, klagen und tanzen“ (Koh 3, 1-4). Ein ehrlicher Blick auf das Leben. Und jetzt? Gewinnt diese pessimistische Stimme in meinem Kopf? Sollte ich die leeren Versprechungen der Werbeindustrie nicht lieber schnell vergessen?

Der Beter in der Bibel kommt zu einer anderen Antwort: „Das Beste, was der Mensch tun kann, ist, sich zu freuen und sein Leben zu genießen, solange er es hat.“ Alles hat seine Zeit. Und vielleicht ist gerade jetzt die Zeit, um mit nackten Füßen übers Gras zu tanzen!?

Alles hat seine Zeit. Aber im Sommer sind die Tage länger und die Uhren gehen langsamer. Auf der alten Bank am Fischteich den Libellen zusehen, auf der Wiese liegen und mit den Wolken am Himmel Bilder malen, Himbeeren direkt vom Strauch in den Mund wandern lassen und abends draußen noch ein Eis essen – das ist Sommer. Der Herbst und der Winter werden kommen, ja. Aber auch ein neuer Sommer. Und wer weiß, vielleicht erinnere ich mich in der dunklen und kalten Zeit des Jahres noch daran, wie die Strahlen der Abendsonne die Welt in ein goldenes Meer verwandelten und mich wärmten.