Ist Religion Privatsache?
Religion ist Privatsache. Das denken viele Zeitgenossen. Sie möchten nicht, dass Religion in den Schulen unterrichtet wird oder das im öffentlichen Dienst aus religiösen Gründen Kopftücher getragen werden. Sie meinen: Religionen treibt Konflikte an; so wie bereits bei den Kreuzzügen im Mittelalter oder im letzten Jahrhundert bei der Tötung so unendlich vieler Juden. Deswegen lieber eine klare Trennung: Religion ist Privatsache.
Ja, das ich finde auch: Religion ist Privatsache. Es ist meine private Entscheidung, welches Bild von Gott ich habe. Dass ich selbst entscheiden kann, welcher Religion ich angehören möchte, dafür bin ich dankbar. "Cuius regio, eius religio" hieß es damals im 16. Jahrhundert. In wessen Gebiet ich lebe, dessen Religion muss ich annehmen. Damals war das zwar fortschrittlich, denn wer dem nicht folgen wollte, konnte ohne Nachteile das Territorium wechseln, um einen andere religiösen Ausdrucksweise zu folgen. Ein erster Schritt also in Richtung Religionsfreiheit. Gut, dass sich das noch weiterentwickelt hat: Heute ist die Religionsfreiheit sogar im Grundgesetz festgehalten. Religion soll Privatsache sein und es weiterhin auch dürfen.
Aber Religion ist immer auch etwas Öffentliches. Gott lieben - das ist das Private; den Nächsten lieben, wie sich selbst - das ist das Öffentliche. Darauf zu hören, was die Religion zu Themen sagt, die uns alle angehen, ist wichtig. Zum Beispiel, was die Religion sagt zum Umgang mit Menschen mit Behinderungen oder zum Umgang mit Menschen, die im Sterben liegen. Unsere Gesellschaft lebt davon, dass Meinungen gesagt werden und man zusammen herausfindet, was der Gesellschaft guttut und dann auch danach handelt. Das ist Demokratie. Die Religion hat dabei keinen Vorrang gegenüber anderen Weltanschauungen - sie ist ein Teil von Vielen, auch wenn man dem persönlich eine andere Wichtigkeit zumisst.
Ja, Religion ist Privatsache und muss es auch bleiben dürfen. Religion ist aber auch Öffentlich und soll es auch bleiben dürfen. Liebe Gott – und deinen Nächsten wie dich selbst. Das sagen alle großen Religionen auf unterschiedliche Weise.
