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Inklusion, ganz normal?
SolStock/GettyImages

Inklusion, ganz normal?

Dr. Peter Kristen
Ein Beitrag von Dr. Peter Kristen, Evangelischer Pfarrer und Studienleiter, Religionspädagogisches Institut Darmstadt
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Eine Doppelseite in der Samstagszeitung. Lauter Kinderfotos. Auf dem größten in der Mitte strahlt mich ein Junge an. Er breitet die Arme aus, als wolle er gerade mich umarmen. „Das ist unser Sohn“, seht darunter, „wir sind stolz auf ihn. Unser Sohn ist mutig, tapfer, ehrlich, voller Leben und Freude und er liebt bedingungslos.“ Auch zu den anderen Fotos haben Eltern über ihre Kinder geschrieben: „Nikola bereichert unser Leben mit ihrer Freundlichkeit und Herzlichkeit.“ „Hannah macht unser Leben ein bisschen vielfältiger und schöner. Unsere Tochter ist ein ganz großes Geschenk für uns.“

Die Familiengruppe DOWN-Syndrom engagiert sich

Das hat mich angerührt, vielleicht, weil ich mir selbst für unsere Gesellschaft mehr davon wünsche. In den Worten unter einem Familienbild scheinen auch Schwierigkeiten durch: „So schwere Stunden es auch gab und geben wird, es wird immer durch die vielen schönen Stunden wieder aufgewogen.“  Die Texte und Fotos stammen von der Wetterauer Familiengruppe DOWN-Syndrom.

Familien mit einem Kind, das durch Trisomie 21 beeinträchtigt ist, engagieren sich für ihre Kinder und das Thema Inklusion.

Ein Bluttest verändert die Vielfalt der Gesellschaft

Nachdem die Krankenkassen den Bluttest auf Trisomie 21 seit September bezahlen können, sehen sie die Vielfalt der Gesellschaft in Gefahr. Sie befürchten, dass der Abbruch der Schwangerschaft die scheinbar logische Folge eines positiven Bluttests wird. So würden Kinder wie ihre immer seltener zur Welt kommen dürfen.

Was, wenn die Krankenkassen, die jetzt den Test bezahlen, in ein paar Jahren sagen: Wer ein Kind mit DOWN-Syndrom auf die Welt bringt, der muss die Kosten dafür alleine tragen. Schließlich wird dieser Mensch nur selten seinen Lebensunterhalt verdienen können? Viele müssen am Herzen operiert werden und brauchen Hilfe im Alltag.

Dass das nicht so weit hergeholt ist, hat mir ein Erlebnis gezeigt: Beim Elternabend in einer Konfirmandengruppe sprechen Jugendliche und Eltern darüber, worauf sie achten müssen, wenn Tim, der das DOWN-Syndrom hat, mitfährt zur Konfirmandenfahrt. Eine Mutter wird ganz ärgerlich und sagt halblaut zu ihrer Nachbarin: „Aber so etwas braucht es doch heutzutage gar nicht mehr zu geben …“

Inklusion hilft die Gesellschaft mit anderen Augen zu sehen

Jochen Rolle, der Ansprechpartner der Wetterauer Familiengruppe DOWN-Syndrom hat eine andere Vision: Er sagt: „Ich setze Hoffnung auf die Generation, für die Inklusion in Kitas und Schulen normal war. Sie ist mit Vielfalt groß geworden und sieht Dinge daher aus einem anderen Blickwinkel.“

Ich hoffe, er hat Recht.

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