Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Harlem - Besuch bei einem Friedensstifter
stempow/Pixabay

Harlem - Besuch bei einem Friedensstifter

Dr. Anke Spory
Ein Beitrag von Dr. Anke Spory, Evangelische Pfarrerin, Bad Homburg-Gonzenheim
Beitrag anhören:

New York. Es ist Sonntag, 10 Uhr. Meine Familie und ich besuchen einen Gottesdienst in Harlem, einem Stadtteil, in dem Menschen mit afro-amerikanischen Wurzeln leben. Ihre Vorfahren wurden als Sklaven nach Amerika verkauft. Wir sind zu Gast in der Abbessinian Baptist Church. Sie ist die älteste baptistische Gemeinde in New York, die von Schwarzen gegründet wurde. Die Kirche füllt sich, wir sind fast die einzigen Weißen.

Nach der Eingangsliturgie und vielen Liedern tritt der Pfarrer ans Pult, um seine Predigt zu halten. Er spricht von den Erfahrungen, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft und Hautfarbe gemacht haben. Wie sie als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden. Er erinnert an die Sklaverei, den langen Kampf um Gleichberechtigung von Schwarzen und Weißen, die Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King. Und dann sagt er: „Bevor es besser wird, wird es schlimmer.“

Nur vier Tage zuvor hatte der Präsident der Vereinigten Staaten vier Frauen, die als Abgeordnete im Kongress sitzen, aufgefordert, in ihre Herkunftsländer zurück zu gehen. Alle vier sind amerikanische Staatsbürgerinnen, drei von ihnen sind in den USA geboren. Alle vier sind farbig. Wenige Tage später bezeichnet der Präsident die Stadt Baltimore, in der 55 % Schwarze wohnen als Rattenloch. „Bevor es besser wird, wird es schlimmer.“ Aus dem Gemurmel rings um lässt sich ahnen, wie sehr die Worte des Präsidenten die gesamte nicht-weiße Bevölkerung getroffen haben.

Nun setzt der Pfarrer seine Predigt fort. Aber nicht, wie vielleicht zu erwarten ist, mit scharfen Worten, Gegenattacken. Nein. Er sagt: Gewalt ist keine Lösung. Das ist, so sagt er, der christliche Weg, diesen Angriffen zu begegnen. Sich innerlich zu rüsten und dem Gott zu vertrauen, der alle Menschen als Ebenbilder geschaffen hat, egal, welche Hautfarbe sie haben. Führ ihn heißt das: Die eigene schwarze Hautfarbe als schön und auch gottebenbildlich zu verstehen und dazu zu stehen. Es heißt auch, sich nicht irgendeine Minderwertigkeit einreden zu lassen.

Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen, so sagt es Jesus. Das heißt auch: Seid wachsam, seid aufmerksam, wo aus Worten Schwerter werden, wo aus Gesagtem Munition wird und Brandherde gelegt werden. Worte können gewalttätig und verletzend sein, wo Menschen ihre Menschenwürde abgesprochen wird, wo Lügen verbreitet werden, um gesellschaftliche Stimmungen aufzuheizen. Kriegstreiber werden auch an ihren Worten erkannt.

Der Pfarrer hat seiner Gemeinde etwas anderes empfohlen: In die Haltung des Friedens hineinwachsen. So könnte man diese Haltung beschreiben.

Für mich war der Pfarrer in Harlem ein Zeuge dieser Haltung. Seine Worte waren für mich die eines Friedensstifters. Mögen diese Zeugen auf der Welt Gehör finden und durch Fürbitten gestärkt werden. Das wünsche ich mir.

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren