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Freunde fürs Leben
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Freunde fürs Leben

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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„Freunde fürs Leben“ heißt das neue Buch von Melanie Wolfers, einer sehr interessanten Theologin und Ordensfrau.
Ihr geht es um die Freundschaft mit sich selbst. Mit mir selbst befreundet sein. Das hört sich für mich zunächst seltsam an - Freundschaft braucht doch ein Gegenüber.
Die Autorin Melanie Wolfers ist Beraterin. Ihr begegnen immer wieder Menschen, die sich schwertun mit sich selbst. Menschen, die überkritisch mit sich umgehen oder kein Gespür haben für das, was ihnen eigentlich wichtig ist.
Melanie Wolfers kennt das von sich selbst. Sie sagt: „Manchmal finde ich es ziemlich anstrengend, ich zu sein. Oft stelle mir selbst ein Bein. Daher hab ich mich gefragt: „Wie kann eigentlich ein versöhnteres Leben aussehen, mehr in Frieden mit mir und mit dem, was ist?“
Sie spricht vom Lebensgefühl des Mangels und vom „Optimierungsirrsinn“ in unserer Gesellschaft.  Viele Menschen heute stehen unter einem immensen Druck – nicht nur beruflich. Nach dem Motto: Du musst das Beste aus dir herausholen und eigentlich sogar noch ein bisschen mehr. Das Fatale ist: Man ist damit nie fertig. Man kann die Messlatte immer noch mal ein Stückchen höher legen. Mit diesem Optimierungsirrsinn überfordern wir uns maßlos. Wenn man dauernd zugerufen bekommt: Sei schlanker, sei cooler, kommunikativer, erfolgreicher – dann gewinnt man den Eindruck: Ich bin nicht gut genug. Ich hechele ständig hinterher.

Melanie Wolfers hat einen Lösungsweg entdeckt. Sie empfiehlt: Befreunde dich mit dir selbst!
Es macht einen großen Unterschied, ob ich mit jemandem mein Leben verbringe, der mich permanent nervt, oder mit jemandem, der mich freundschaftlich annimmt.
Wenn ich mit mir selbst befreundet bin, dann kenne ich meine Stärken und weiß um meine Grenzen. Es geht darum, mich selbst besser kennenzulernen, aus der inneren Mitte zu leben und heimisch in mir selbst zu werden.

Das Credo der Moderne lautet: „alles ist möglich“. Dagegen sagt Melanie Wolfers: Das stimmt nicht! Ich muss einsehen: Meine Kraft ist begrenzt, meine Lebenszeit ist begrenzt. Ich kann vieles schaffen, aber nicht alles.
Grenzen sind nicht nur dafür da, dass man sie überwindet. Manche Grenzen helfen auch, dass man sich selbst besser kennenlernt.
Melanie Wolfers ist das alte deutsche Wort für Grenze lieb geworden: Umfriedung. Eine Grenze markiert den Lebensraum, innerhalb dessen ich in Frieden leben kann. 
Martin Luther hat einst gefragt: Wie kriege ich einen gnädigen Gott? Einen Gott, der mein Freund ist. Heute lautet die Frage: Wie bekomme ich ein gnädiges Ich? Wie kann ich Freundschaft mit mir selbst schließen? Für mich beginnt das so: Ich verabschiede mich von der Vorstellung, dass ich perfekt sein muss, um ein wertvoller Mensch zu sein. Meine Freunde sind mir doch nicht wertvoll, weil sie perfekt sind. Ich mag sie mit ihren Stärken und ihren Schwächen. Manchmal sogar gerade wegen ihren liebenswerten Macken. Ich glaube, so ist auch Gott mit mir befreundet – mit meinen Stärken und Macken. Wenn ich das so sehe, dann kann ich mir selbst auch eine Freundschaftsanfrage schicken.

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