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Ein wohltuend kritischer Geist
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Ein wohltuend kritischer Geist

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim
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Seit einer Weile komme ich wieder mehr zum Lesen – und das macht mich richtig glücklich. Ich merke: Das richtige Buch zum richtigen Moment tut einfach gut. Und das erlebe ich auf ganz verschiedene Weise: Ich hab mich mit einer humorvollen Reisebeschreibung bestens amüsiert. Und ich hab bei einem Krimi mal wieder so richtig Herzklopfen beim Seitenumblättern gespürt.
Schließlich habe ich mich auch mal wieder an etwas ziemlich Anspruchsvolles gewagt. Und bin dafür belohnt worden: Den antiken Schriftsteller Thukydides hab ich mir vorgenommen, mit seinem Werk „Der Peloponnesische Krieg“. Mehr als 2.400 Jahre liegt dieses Ereignis zwar schon zurück. Und der Text ist praktisch gleich alt.  Aber ich hatte beim Lesen oft das Gefühl: Er hilft mir auf wohltuende Weise, unsere aktuelle,  oft verrückte Politik-Welt besser zu durchschauen.
Der kritische Geist Thukydides konnte zwar den jahrzehntelangen Kampf zwischen Athen und Sparta nicht beenden. Aber er hat in seinem Buch damals souverän allen zwielichtigen Politikern signalisiert: Eure Tricks werden irgendwann durchschaut. Ein Beispiel: Was macht man als kleine Stadt, wenn man Krieg führen will, aber dafür eigentlich zu arm und schwach ist? Man leiht sich einfach von Nachbarstädten ein paar goldene Becher. Und die nutzt man als Lockvogel: Man lädt goldgierige Politiker einer entfernt gelegenen Großmacht zu einem Festmahl ein – und im Nu hat man diese als Verbündete mit im Boot. Tja;  Pech für diese Großmacht, wenn sie dann mitten im Krieg feststellen muss: Mit dem scheinbar reichen Verbündeten ist es nicht weit her. Ein Trick, der nach modernen „Fake News“-Methoden klingt. Mit ihm hat aber damals die sizilianische Stadt Segesta das mächtige Athen dazu gebracht, als ihr Partner den griechischen Krieg auf Sizilien auszuweiten. Mit fatalen Folgen: Athen verlor durch das sizilianische Abenteuer den Krieg.
Diese Beschreibung ist „typisch Thukydides“. Bei ihm geht es nur selten um Schlachtengeklirr: Ihn interessiert der Einfluss von Propaganda und Psychologie auf Politik. Das ist manchmal kompliziert, aber immer sehr scharfsinnig und oft verblüffend nah an unserer Gegenwart. Und ich merke: Es hilft, mir einen kritischen und gleichzeitig nicht resignativen Blick auf das Weltgeschehen zu bewahren.

 

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