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Die Kraft der Gedanken
Deike Kracke/Pixabay

Die Kraft der Gedanken

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen
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„Die Gedanken sind frei.“ Dieses Volkslied singe ich oft mit alten Menschen in einer Tagespflege. Das ist eine Einrichtung, die es seit drei Jahren in unserem Dorf gibt. Täglich kommen bis zu 15 alte Menschen, die den Tag gemeinsam verbringen und so der Einsamkeit und Isolierung entfliehen. Sie kommen aus unserem Dorf und aus benachbarten Orten. Sie essen gemeinsam, erzählen und spielen und betätigen sich, soweit das möglich ist.

Ein Lied hilft erinnern

Zweimal in der Woche bin ich dabei. Mein Part ist, zum Tanzen im Sitzen anzuleiten und mit ihnen zu singen. Und da ist häufig dieses Lied dabei: „Die Gedanken sind frei.“

Das kennen viele aus ihrer Jugend. Bei dem vertrauten Lied summen oder singen oft auch demenzkranke Menschen mit. Seine Melodie, aber auch sein Inhalt spricht die alten Menschen an. Die Gedanken sind frei. Sie fliegen überall hin. Man kann sie weder einsperren noch töten. Sie überwinden Mauern und Grenzen. Die Gedanken können an andere Orte wandern, auch wenn man selbst das körperlich nicht mehr kann.

Die heilsame Kraft der guten Gedanken

Es stimmt doch: Die Gedanken sind frei. Ich kann in jedem Augenblick an Menschen denken, die mir lieb sind. Manche sagen sogar, dass ein Mensch, an den ich denke oder für den ich bete, das spüren kann. Als ich kürzlich eine schwerkranke Cousine angerufen habe, die seit Monaten im Pflegebett liegt, hat sie gesagt: „Ich habe gespürt, dass du an mich gedacht hast.“ In den guten Gedanken, die ich jemandem widme, liegt heilsame Kraft. Sie überwinden Begrenzungen, atmen den Geist der Freiheit.

Hegel und der Geist der unbegrenzten Freiheit

Heute ist der Todestag des Philosophen Georg Friedrich Hegel. Seine Schriften kreisen um dieses Thema, den Geist der unbegrenzten Freiheit. In der Philosophie Hegels lese ich die Botschaft: Traut der Idee, der Kraft des Geistes, den Gedanken der Freiheit mehr Macht zu als den Begrenzungen des Daseins.

Die Gedanken fliegen lassen...

So erlebe ich das bei den Menschen in der Tagespflege. Sie sind alters- und krankheitsbedingt eingeschränkt, auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen. Doch wenn wir zusammen singen „Die Gedanken sind frei“, dann kann man spüren, wie ihre Gedanken fliegen – zurück in die Jugend, zu Ereignissen, die lange zurückliegen, zu Menschen, die sie liebten und die nicht mehr sind. Die Gedanken sind frei, und sie bringen Erinnerungen zurück, die guttun.

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