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Der heilige Josef – ein Heiliger für unsere Zeit
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Der heilige Josef – ein Heiliger für unsere Zeit

Ein Beitrag von Martin Berker, Katholischer Pfarrer, Pfarrei Sankt Josef in Neu-Isenburg
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(Musikauswahl: Regionalkantorin Regina Engel, Neu Isenburg / Sprecher: Klaus Hofmeister, hr)

Der Heilige Josef begleitet mich schon, seit ich Priester bin. An meiner ersten Stelle als Kaplan in Offenbach war der Heilige Josef der Kirchenpatron, und jetzt an meiner ersten Stelle als Pfarrer in Neu-Isenburg ist die Kirche ebenfalls dem Heiligen Josef geweiht. Er ist mir ans Herz gewachsen dieser stille Heilige, der Mann der heiligen Maria und der Ziehvater von Jesus. Am 19. März feiern wir in der Kirchengemeinde sein Patrozinium, seinen Gedenktag. Dieses Jahr wollen wir als Josefgemeinde unseren Pfarrpatron besonders in den Mittelpunkt stellen. 2021 ist nämlich das „Jahr des Heiligen Josef“, Papst Franziskus hat es ausgerufen.

Der heilige Josef in der Krippenlandschaft

Wir werden jetzt im März sogar noch einmal unsere Krippenlandschaft aufbauen in der Kirche – und verschiedene Bilder des heiligen Josefs hineinstellen und einige Eigenschaften von ihm betrachten: den Handwerker, den stillen Typen, den Arbeiter, den Schlafenden und Träumenden. Am Ende dieses Jahres, wenn es wieder Weihnachten wird, werden wir vermutlich einiges mehr wissen über diesen Heiligen aus unserer Krippe.

Musik 1: Georg Friedrich Händel, Orgelkonzert F-Dur, op. 4,5, 1. Satz: Larghetto (CD: Handel, Organ Concertos, Ton Koopman (Orgel & Leitung), The Amsterdam Baroque Orchestra).

Er ist ein bekannter Unbekannter, der Heilige Josef. Selbst in den vier Evangelien der Bibel ist nicht viel von ihm zu erfahren. Das Lukas-Evangelium erwähnt ihn alle Jahre wieder in den weihnachtlichen Erzählungen. Da heißt es: „So zog auch Josef von der Stadt Nazaret in Galiliäa hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Betlehem heißt …“ (Lukas-Evangelium 2,4ff). Nur das Matthäus-Evangelium, das am ausführlichsten die Kindheit Jesu überliefert, interessiert sich für diesen Mann.

Ein unbekannter, stiller Typ

Josef ist ein stiller Mann. Es gibt kein einziges Wort, das von ihm überliefert ist, nicht in der Bibel und auch nicht außerhalb. Von Maria gibt es viele einprägsame Sätze, sogar ein ganzes Preislied auf Gott, das Magnifikat. Doch Josef bleibt stumm. Er ist der treue Mann an der Seite von Maria. Er steht ihr in den unbeschwerten wie in den schwierigen Momenten des Lebens zur Seite - auf der Reise nach Bethlehem zur Volkszählung und in den bangen und frohen Stunden der Geburt, im dramatischen Moment der Flucht nach Ägypten und bei der sorgenvollen Suche nach dem Sohn, der im Tempel geblieben war, und dann im Alltag des Hauses in Nazareth, in der Werkstatt, wo er Jesus (vermutlich) das Handwerk gelehrt hat.

Musik 2: Henry Purcell, Grave aus der Sonata VII in e-Moll (Z. 769) (CD: Henry Purcell, Chamber Music).

Papst Franziskus ist ein Fan des Heiligen Josefs. Er nimmt in seinen Reden immer wieder Bezug auf ihn. Letztes Jahr am 8. Dezember hat er das Jahr des Heiligen Josef ausgerufen. Das aktuelle Kirchenjahr ist in besonderer Weise dem Gedenken an das Leben des Heiligen Josef gewidmet. Anlass ist zum einen: Der Heilige Josef wurde vor 150 Jahren zum Schutzpatron der Kirche ernannt, und zum anderen: Der Heilige Josef passt mit seiner Ausstrahlung und seinen Charaktereigenschaften auch gut in die aktuelle Pandemiezeit.

Papst Franziskus und der heilige Josef

Papst Franziskus selbst hat schon seit seiner Jugend eine besondere Beziehung zum Heiligen Josef. Im Jahr 1953, er war damals 17 Jahre alt, hat er in der Kirche von San José, also in einer Josefskirche in Buenos Aires, seine Berufung zum Priester entdeckt, und 60 Jahre später wurde er am Tag des Heiligen Josef, dem 19. März 2013, in das Amt des Bischofs von Rom, also des Papstes eingeführt. Bei seinem Besuch auf den Philippinen 2015 hat er in der Arena von Manila bei der Begegnung mit Familien gesagt:

„Ich möchte euch etwas sehr Persönliches mitteilen. Ich liebe den Heiligen Josef sehr, weil er ein starker und gleichzeitig auch ein stiller Mann ist. Auf meinem Tisch habe ich ein Bild von ihm, wo er schläft, und während er schläft, kümmert er sich um die Kirche! Ja! Er kann das und wir wissen es. Und wenn ich ein Problem oder Schwierigkeiten habe, schreibe ich es auf einen kleinen Zettel und lege es dann unter den Heiligen Josef, sodass er davon träumt! Das heißt: damit er betet für dieses Problem!"

Deshalb bittet Papst Franziskus den heiligen Josef, wenn er ein Problem hat, „darüber zu schlafen“ und vielleicht auch ein gutes Wort bei Gott einzulegen, um in den Anliegen, in den schweren Situationen zu helfen und den Menschen in Not beizustehen. Im Dunkel der Nacht, im Traum, da begegnet Gott dem Josef. In der Bibel ist es nämlich auch so, dass dem heiligen Josef viel Wichtiges im Traum geschenkt wird. Im Traum spricht Gott zum Beispiel zu Josef: Bleib bei der schwangeren Maria, sorg für sie! Oder später: Nimm Maria und das Kind und flieh nach Ägypten! Der Heilige Josef und Gott begegnen sich vor allem im Traum.

Gott und Josef im Traum

Josef hat Gott im Dunkel, im Traum gehört. Für Gott ist das Dunkel anscheinend kein Hindernis, vielleicht sogar das Gegenteil: Wenn unsere Augen nicht durch das Tagesgeschehen abgelenkt werden, dann sind unsere Ohren offen für das, was Gott uns sagen möchte. Unsere Sinne werden aufmerksamer für die Stimme Gottes, für das, was sich zwischen Himmel und Erde abspielt.  Der Heilige Josef wird zum Fürsprecher, zu einem Menschen, der auf Gottes Wort im Traum zu hören versteht. So kann man dem heiligen Josef vielleicht auch heute etwas für die Nacht anvertrauen, er ist ein Fürsprecher für die Sorgen der Menschen, er hört die Bitten, und er hört Gottes Stimme im Traum.

Ohren spitzen für Gott

Die Ohren spitzen für das, was eine göttliche Stimme mir sagen will, vielleicht sogar im Traum: Ich glaube, das lohnt sich. Es tut mir gut, wenn ich mir gerade in schwierigen Zeiten mehr Ruhe und Zeit gönne, um mal über etwas zu schlafen und um bewusster auf Gott zu hören. Der heilige Josef ermutigt mich, die Situationen und Herausforderungen anzunehmen, mit denen Gott mich tagtäglich konfrontiert, und vor allem auch die Probleme nicht immer direkt und sofort lösen zu müssen.

Ich glaube fest daran: Gott tut auch heute auf vielfältige, überraschende Weise seinen Willen kund. Vor allem dann, wenn wir hektisch werkeln und unser Termindruck keinen Raum für Träume lässt, wenn wir keine Zeit und Geduld mehr haben, um einander zuzuhören oder wenn wir merken: Gottes Wort dringt nicht mehr an unser Ohr und in unser Herz.

Auf Träume hören

Mir sagt dieser Josef, der hinhört und sich Zeit zum Träumen nimmt: Meinen Weg finde auch ich besser, wenn ich mir Zeit nehme, wenn ich auf die Stimme in mir höre, wenn ich auf Träume höre – in denen sich vielleicht auch heute die Stimme Gottes zeigt.

Musik 3: Antonio Vivaldi, Blockflöten-Konzert in g-Moll ("La notte"), RV 439, 5. Satz: Largo ("Il sonno") (CD: Antonio Vivaldi, Recorder Concertos, Dan Laurin, Drottningholm Baroque Ensemble).

Am Tag seiner Amtseinführung 2013 hat Papst Franziskus vom Heiligen Josef als dem „Hüter“ gesprochen. Im Matthäusevangelium heißt es: Josef „tat, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.“ (Matthäus-Evangelium 1, 24). Papst Franziskus beschreibt den heiligen Josef immer wieder als rücksichtsvollen, demütigen, im Stillen handelnden Menschen, auch dann, wenn er nicht versteht, was Gott ihm sagt. Denn er lebt seine Berufung als „Hüter“ in der Aufmerksamkeit gegenüber Gott, offen für dessen Zeichen, verfügbar für dessen Plan, dem er seinen eigenen Lebensplan unterordnet.

Berufen zum "Hüter-Sein"

Aber die Berufung zum Hüter-Sein hat nicht nur der heilige Josef, sagt Papst Franziskus. Diese Berufung geht jeden Christen an.

Sie besteht darin, Achtung zu haben vor jedem Geschöpf Gottes und vor der Umwelt, in der wir leben.

Ein weiterer Aspekt besteht darin, sich zu kümmern, besonders um die Kinder, die alten Menschen, um die, die schwächer sind und oft in unserem Herzen an den Rand gedrängt werden.

Die Berufung zum Hüten bewährt sich darin, in der Familie aufeinander zu achten. Die Eheleute z.B. behüten sich gegenseitig, die Eltern die Kinder, und mit der Zeit werden auch die Kinder zu Hütern ihrer Eltern.

"Hütersein“ besteht aber auch darin, die Freundschaften in Aufrichtigkeit zu leben.

Und nicht zuletzt, so Papst Franziskus, sollen wir Hüter für die Schöpfung sein, wir sollen sie beschützten und bewahren.

Ein offener Mensch

Das, was Josef nach seinem Traum für Gott gewagt hat, traut sich nur ein offener, dem Leben zugewandter Mensch. Josef stellt sich voll und ganz in den Dienst Gottes:

Damals - als er durch die Schwangerschaft Marias vor einer sehr schwierigen Entscheidung stand.

Und später - als Ehemann Marias und als Helfer bei seiner Aufgabe als Pflegevater für Jesus.

Mir zeigt der Blick auf den heiligen Josef: Gott braucht auch die stillen Leute für große Taten. Gerade der Josef in der Weihnachtsgeschichte des Matthäus-Evangeliums ist ein Hinweis: Nehmt auch die Unauffälligen, die Menschen am Rand wahr! Überseht sie nicht!

Menschen, die anpacken

In der Pandemiekrise konnten wir Ähnliches erleben: Unser Leben wurde aufrechterhalten von ganz normalen, gewöhnlichen Menschen. Die Menschen, die am Rande stehen, die wenig beachtet werden, wurden zu Hauptdarstellern: Krankenschwestern und Pfleger, Supermarktangestellte, Reinigungspersonal, Betreuungskräfte, Transporteure, Ordnungskräfte, ehrenamtliche Helfer, Väter, Mütter, Großväter und Großmütter, Lehrer und Erzieherinnen und viele andere, die verstanden haben, dass niemand sich allein retten kann.

Oft werden nur diejenigen gesehen, die sich laut in den Mittelpunkt drängen und große Worte machen. Aber wie wertvoll ist jemand, der da ist, zuhört und mit anpackt. Jemand, der nicht nur erzählt, sondern sich ganz auf mich einlässt. Jemand mit einem offenen Ohr und einem offenen Herz. Jemand wie Josef. Ich wünsche mir, dass die Botschaft des Heiligen Josef in unserer Zeit von vielen gehört und gelebt wird. Deshalb ist es so bedeutsam, dass Josef nicht als Redner beschrieben wird, sondern als einer, der auf Gott hört und danach handelt.

Musik 4: Henry Purcell, Fantasia No. 13, „Upon one note” (CD: Purcell, Fantasias for Viols, London Baroque).

Die Bibel schildert Josef als einen Mann der Tat. Er gehorch­te den Weisungen des Engels immer sofort. Zum hörenden und gerechten Josef passt es, dass er das, was er im Glauben als richtig erkannt hat, ohne langes Wenn und Aber tut, auch wenn er dadurch eigene Wünsche und Vorstellungen aufgeben muss. Sein menschliches Planen wird immer wieder umgeworfen, seine Aufga­be wird ihm von Gott gestellt. Statt selbst bestimmen zu können, wie er sein Leben gestalten will, wird er in Dienst genommen. Da geht es ihm wie vielen anderen in der Geschichte, die, weil sie Gott gegenüber offen und den Menschen gegenüber rechtschaffen waren, nicht mehr eigene Wege wählen konnten, sondern für Gott den Weg der Nachfolge gingen.

Nach Gottes Willen handeln

An Josef wird ablesbar, was es heißt, von Gott berufen zu werden. Es bedeutet: Auf Gottes Botschaft hören - sich für ihn entscheiden - nach seinem Willen handeln, und das immer wieder neu. Gott fordert von ihm viel Beweglichkeit, viel Mut, viel Ausdauer. Es ist die Zusage des Engels „Fürchte dich nicht“, die ihm den Mut gibt, dem Leben eine solche Richtung zu geben. Er weiß um die Zusage Gottes „Ich bin mit dir, du kannst dich auf mich verlassen, ich zeige dir den Weg“. Und darauf verlässt er sich. Das ist sein Glaube.

Josef lebt mir vor, was Christsein letztlich ist: im Leben aus der Kraft und Zusa­ge Gottes die eigene, persönliche Berufung erkennen und sie verwirklichen. In seiner Aufgabe als Nährvater und Beschützer der Heiligen Familie kann dieser Josef auch Vorbild sein für alle, die ihre Eltern- und Sorgepflicht ernst nehmen.  

Sorge um die Kleinen und Armen

Und er weist mich als Christen darauf hin: Der Dienst der Nächstenlie­be, die Sorge für die Unversorgten und Bedürftigen, gehört zu den vorrangigen Aufga­ben. Ich bin froh und dankbar, dass in unserer Kirchengemeinde viele Ehrenamtliche jede Woche sich einsetzen, Bedürftigen zu helfen und sie zu unterstützen. Vieles andere können wir in der Kirche zurückstellen oder abgeben. Aber wenn die Sorge um die Kleinen und Armen, um die Ver­folgten und Heimatlosen der Kirche nicht mehr ganz wichtig wäre, würde sie ihre Berufung und Sendung verfehlen. Josef weist die Kirche eindring­lich darauf hin.

Der Josef der Bibel ist ein Mann, der mit beiden Füßen im Leben steht, seine Ohren ganz für Gott offenhält und sein Herz bei den Menschen hat. Ich finde: Er kann Menschen, die auf der Suche nach Gott und seiner Stimme sind, viel sagen. Er ist ein Heiliger für unsere Zeit. Ein aufrechter Mensch, der zu dem steht, was er sagt und tut. Ein ehrlicher und aufgerichteter Mensch, der seinen Weg geht. Ein einfacher Mensch, der an den liebevollen Gott glaubt und der mir hilft, zu vertrauen und frei zu sein.

"Lieber Josef!"

Ich möchte schließen mit einem Gebet, das sich an den heiligen Josef wendet, es stammt von Paul Weismantel, einem Theologen und Priester aus Würzburg.

„Lieber Josef, du machst auf mich einen sehr gesammelten Eindruck, du ruhst in dir und stehst zu dir und deiner Überzeugung. Du lässt dich auch auf Ungewohntes, Ungeahntes und Fremdes ein und befolgst Rat und Auftrag des Engels. Viele offene Fragen und Zweifel machst du, in aller Stille, oft im Traum mit dir selbst aus. So wie du, möchte auch ich – schweigsam und hörend – mit den Herausforderungen und Zumutungen des Lebens umgehen können. Amen.“

Musik 5: Georg Friedrich Händel, Orgelkonzert F-Dur, op. 4,5, 3.+4. Satz: Alla siciliana, Presto (CD: Handel, Organ Concertos, Ton Koopman (Orgel & Leitung), The Amsterdam Baroque Orchestra).

 

 

 

 

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