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Dankbar das Leben genießen
Bild: Stock Snap/Pixabay

Dankbar das Leben genießen

Ute Zöllner
Ein Beitrag von Ute Zöllner, Evangelische Pfarrerin i.R., Pastoralpsychologin, Kassel
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Mathis und Lisa sind Nachbarn. Lisa lebt allein. Mathis hat zwei Kinder - Ben und Noah. Ben geht in den Kindergarten, Noah ist gerade in die Schule gekommen. Unter der Woche sieht sich die Hausgemeinschaft eher selten. Jeder geht seiner Wege. Am Wochenende ist das anders. Da trifft man sich im Garten oder im Hausflur.

Mathis putzt gerade die Treppe, als Lisa aus der Wohnungstür kommt. "Hallo Matthis," sagt sie. "Wir haben uns lange nicht gesehen. Wie geht es euch? Kommen die Kinder in der Schule jetzt klar?" Mathis schaut auf und stellt den Wassereimer zur Seite. "Kannst schon durchgehen. Danke der Nachfrage. Doch, geht schon ganz gut. Aber Noah tut sich schwer. Und gerade hat er auch noch die Windpocken." Lisa nickt und wünscht dem Schulkind gute Besserung.

"Morgen fahre ich nach München," plappert Lisa los. "Ich muss unbedingt mal raus. Ein schönes Programm habe ich mir überlegt. Hach, ich freu mich schon." „Na, dann viel Spaß“, meint Mathis. "Genieße es!" Lisa schiebt sich an Mathis und dem Wassereimer vorbei. "Ja, auch euch noch einen guten Tag." Und sie betont: "Gute Besserung für Noah."

Der letzte Satz von Mathis geht ihr nach: "Genieße es", hatte Mathis gesagt. Irgendwie hat Lisa ein komisches Gefühl dabei. Sie überlegt: Was wollte Mathis mir eigentlich mit diesem Satz sagen? Vielleicht hat er gemeint: "Du hast es gut. " Oder: "Ich würde auch gern mal raus aus dem Alltag. "

Lisa beißt sich auf die Lippen als sie weitergeht. Vielleicht bin ich ein wenig selbstgerecht, denkt sie sich. Mathis putzt die Treppe. Noah ist krank und Mathis ist heute mit den Kindern allein. Nicht so leicht für ihn, wenn ich daherkomme und mit guter Laune an ihm vorbeihüpfe. Und dann erzähle ich auch noch von meinem Trip nach München.

"Genieße es. " Diese Worte befehlen den Genuss nicht gerade, aber fordern Lisa dazu auf. Das kommt bei ihr nicht so richtig an. Sie hinterlassen bei ihr einen schalen Nachgeschmack. Selbst dann, wenn Lisa ihren Nachbarn gut versteht in seiner Situation. Die junge Frau dankt Gott von ganzem Herzen für ihre Reise. Das hat sie Mathis freilich nicht erzählt. Es hätte in dem Moment vielleicht auch nicht richtig gepasst.
Lisa freut sich auf die Fahrt. Sie ist dankbar in allen Dingen. Etwas zu genießen, sich zu freuen und dafür dankbar zu sein, gehören für die junge Frau zusammen. Weil sie dankbar ist, genießt sie und freut sich zugleich.

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