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Beachtetwerden, Zuwendung, Berührung
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Beachtetwerden, Zuwendung, Berührung

Alexander Holzbach
Ein Beitrag von Alexander Holzbach, katholischer Pallottinerpater, Limburg
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Das Lexikon über die Heiligen hat sich geirrt. Der dicke Wälzer stammt aus den 80er Jahren, aber ich schaue da immer noch gerne nach, wenn ich etwas über die Frauen und Männer wissen will, die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt werden.

Der heutige Sonntag hat das Datum 14. Februar. Also Valentins-Tag. Der Heilige Valentin war Bischof von Terni, einer kleinen Stadt nördlich von Rom. Er fiel im dritten Jahrhundert einer Christenverfolgung zum Opfer. Erst tausend Jahre später entsteht – warum auch immer – der Brauch, dass Liebespaare einander an diesem Tag grüßen. Im 18. und 19. Jahrhundert bekommt der Valentinstag im englischsprachen Raum einen neuen Schub und gelangt dann über Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg auch zu uns. Aber ganz langsam.

Da hat sich was verändert

Und hier irrt mein altes Lexikon, wenn es schreibt: In Deutschland sei es nicht üblich, dass man sich am Valentinstag mit Karten grüßt und mit Blumen oder Süßem beschenkt. Denn da hat sich in den letzten Jahrzehnten das Lebensgefühl und das Brauchtum stark verändert. Mittlerweile verkaufen die Geschäfte viele Blumen und Pralinen zum Valentinstag. Und auch die Zeitungen profitieren von dem Heiligen. Denn viele Menschen tun da auf den Anzeigenseiten an diesem Wochenende ihre Liebe kund – und das oft mit wunderbaren Texten, die das Herz anrühren.

Der Valentinstag ist heute aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Das wissen auch die Seelsorgerinnen und Seelsorger. In vielen Kirchen gibt es besondere Gottesdienste, in denen für Paare gebetet wird, in denen ihnen ein Segen zugesprochen wird. In diesem Jahr werden sicherlich auch viele Livestream-Gottesdienste angeboten.

Segen für Paare und Singles

Menschen spüren: ihre Liebe ist etwas Schönes und etwas Gewagtes. Darum der Wunsch nach Segen, der Stärkung und Kraft verheißt. Wer sich Segen wünscht, glaubt an die Zuwendung Gottes und hofft auf den Himmel. Und damit sind wir wieder beim Heiligen Valentin, der für seinen Glauben sogar sein Leben hingegeben hat. Hingabe und Liebe; ich finde, diese beiden Begriffe gehören zusammen. Wobei der Valentinstag den Blick auf Paare wirft, auf die Liebe zweier Menschen.

Dieses Glück haben nicht alle. In einem Pfarrbrief las ich, dass die Gemeinde am Vorabend zu einem Gottesdienst für Alleinstehende einlädt. Viele wollen Single sein. Manche wohl auch nicht. Ihnen Beachtung zu schenken, einen Segen zuzusprechen, ist eine gute Idee.

Die Freude am Valentinstag erlebt in diesem Jahr einen Dämpfer. Die Corona-Krise setzt Grenzen, die wir nicht gewohnt waren. Manche Paare werden sich freuen, den heutigen Tag ruhig verbringen zu können. Andere vermissen Familie und Freundeskreis. Aber Grüße per Post oder Social Media oder der Zeitung sind möglich, kleine Geschenke, Gebet und Segen. Ich bin mir sicher, der Valentins-Tag überlebt die Corona-Krise, denn Menschen finden immer Zeichen und Worte für ihre Liebe.                                        

Musik:  Georg Philipp Telemann, Largo aus dem Violakonzert G-Dur, Stephen Shingles, Viola / Academy of St Martin in the Fields / Sir Neville Marriner (CD: Festliche Tafelmusik; Decca)

Alleine schunkeln vor dem Bildschirm?

Heute ist nicht nur Valentinstag. Heute ist auch Fastnachtssonntag. In normalen Zeiten würden in vielen Städten und Gemeinden am Nachmittag Fastnachtszüge durch die Straßen ziehen. Aber in diesem Jahr ist mit Fastnacht nicht viel los. Corona hat die Kampagne kaputt gemacht. Darunter leiden nicht nur die Jecken. Es fehlt einfach was in diesen Tagen. Und das können auch alle gut gemeinten Versuche, Fastnachtsstimmung digital zu erzeugen, kaum wettmachen. Alleine Schunkeln geht halt nicht. Fastnachtsmuffel haben heute einen schönen Sonntag; Fastnachtsfreunde einen traurigen.

Dieser Sonntag ist deshalb nicht ohne Freude, aber es fehlt eine ganz bestimmte Freude, die gemeinsame Freude. In dieser Stimmung meldet sich nicht allein Verdruss über die Corona-Krise und ihre Einschränkungen; es melden sich auch Fragen.

Vertrauen auch in Stunden der Not

Ich bin dieser Tage mal wieder auf ein Gebet aus dem katholischen Gottesdienst gestoßen, das ich jetzt des Öfteren bete. Da heißt es:          

„Gott, unser Vater, Du hast uns für die Freude erschaffen. Dennoch begleiten Enttäuschung und Leid unser Leben. Hilf, dass wir dir glauben und auch in Stunden der Not dir vertrauen. Mach uns durch die Schmerzen reifer und hellhörig für die Not der anderen.“(Messbuch, Tagesgebete zur Auswahl, Nr. 28) 

Hier wird zunächst von dem biblischen Glauben gesprochen: Gott will, dass wir uns am Leben freuen. Das Gebet ist realistisch und sagt gleichzeitig: Es gibt kein Leben ohne Enttäuschung und Leid, ohne Einsamkeit und Krankheit, ohne Verlust und Tod. Warum ist das so? Auf diese Frage hat niemand eine befriedigende Antwort. Eigentlich ist das zum Verzweifeln, aber der Glaube hält das aus im Vertrauen. Glaube ist ja nichts anders als Vertrauen. Davon spricht das Gebet, wenn es sagt: Gott soll helfen, dass ich mein Vertrauen nicht verliere und nicht den Glauben, dass er in allen Situationen des Lebens bei mir ist, auch in den schweren.

Neue Einsichten und Chancen gewinnen durch die Krise

Und dann formuliert das Gebet noch eine interessante Bitte: „Mach uns durch die Schmerzen reifer und hellhörig für die Not der anderen.“

Dahinter steht die Erfahrung, dass Krankheit, Leid und Schicksalsschläge den Menschen nicht automatisch runterziehen. Diese Situationen sind schlimm. Manche verzweifeln daran. Manchmal aber wachsen da Menschen über sich hinaus, übernehmen neu Verantwortung für sich und andere. Ein Mann, der mit Covid-19 lange auf einer Intensivstation lag und wieder gesund wurde, hat mir erzählt: Er ist in Frührente gegangen. Ihm sei aufgegangen, wie sehr ihn der Beruf von seiner Frau, den Kindern und Enkeln weggezogen habe. Denen will er sich nun verstärkt widmen. „Denn ich weiß ja nicht, wie viele Jahre mir noch bleiben“, sagte er. Das ist sicherlich kein Beispiel, das man so einfach nachahmen kann. Aber es ist ein Beispiel dafür, dass Krisen auch neue Einsichten und sogar Chancen mit sich bringen können.

In dem Gebet, das ist jetzt oft bete, heißt es am Schluss: Wir sollen durch eigenes Leid hellhörig werden für die Not der anderen.

Stille Freude statt lauter Freude

Auch hinter dieser Bitte steht eine Erfahrung. Eigentlich kann man der Corona-Krise nichts Gutes abgewinnen. Aber sie hat auch eine Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft hervorgerufen. Da gehen junge Nachbarn für alte Nachbarn einkaufen. Da fahren die einen die anderen zum Arzt oder zum Impfen. Da versuchen Großeltern oder Freunde die ungeheuren Belastungen junger Familien abzufedern. Da wird gespendet für Orden und Organisationen, die etwa in Afrika Corona-Hilfe leisten.

Ich war im Dezember positiv getestet worden und musste zwei Wochen in Quarantäne. Was nun? Es gab gute Leute, die mir Essen brachten. Ich bekam Anrufe, Mails, Postkarten und Päckchen. Das Auspacken machte Spaß. So gab es mitten in der Tristesse oft kleine Momente der Freude. Zugegeben: eher der stillen Freude. Das machte aber das Vermissen der lauten Freude etwas leichter. Trotz aller Fragen habe ich in der Quarantäne mein Gottvertrauen nicht verloren. Und ich bin überzeugt, auf Dauer wird Corona die Fastnacht nicht kaputtkriegen, denn Menschen finden immer Formen und Weisen, ihre Freude gemeinsam zu feiern.            

Musik: Georg Philipp Telemann, Allegro aus dem Violakonzert G-Dur, Stephen Shingles, Viola / Academy of St Martin in the Fields / Sir Neville Marriner (CD: Festliche Tafelmusik; Decca)

Umgang mit Krankheit zu biblischen Zeiten

Für viele ist heute weniger Valentinstag oder Fastnachtssonntag, sondern einfach nur Sonntag. Ein Tag zum Ausruhen und Entspannen. Und für viele Christinnen und Christen ein Tag zum Gottesdienst-Feiern. Im katholischen Gottesdienst werden heute Verse aus dem ersten Kapitel des Markus-Evangeliums gelesen. Da heißt es:     

Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du mich rein machen. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will – werde rein! Sogleich verschwand der Aussatz und der Mann war rein.

Jesus schickte ihn weg, wies ihn streng an und sagte zu ihm: Sieh, dass du niemandem etwas sagst, sondern geh, zeig dich dem Priester und bring für deine Reinigung dar, was Mose festgesetzt hat – ihnen zum Zeugnis.

Der Mann aber ging weg und verkündete bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die Geschichte, so dass sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte;er hielt sich nur noch an einsamen Orten auf. Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.“ (Markus-Evangelium 1,40-45)

Der Schreiber des Evangeliums will verkünden: Jesus hat göttliche Vollmacht. Deshalb haben viele Menschen an ihn geglaubt und seine Nähe gesucht. Aber es lässt sich aus diesen Zeilen auch etwas über den Alltag von damals herauslesen und über die Weise, wie Jesus mit Menschen umging.

Quarantäne für immer

Ob der Aussätzige ein Lepra-Kranker war? Schwer zu sagen. Alle ansteckenden Hautkrankheiten nannte man damals Aussatz. Und die Menschen wurden sofort, wenn man die Krankheit bemerkte, ausgesondert. Wir kennen das so ähnlich jetzt in Corona-Zeiten: die Ansteckungsgefahr soll gebannt werden durch Isolierung. Damals hieß das: Quarantäne auf immer.

Die Kranken lebten getrennt von ihren Familien außerhalb des Dorfes, der Stadt; sie waren Ausgestoßene, ohne soziale Kontakte. Das war schon schwer genug. Damals kam noch dazu, dass sie auch aus dem Bereich des Religiösen ausgestoßen waren. Undenkbar, dass etwa – wie heute - ein Kranker in eine Kapelle geht und eine Kerze entzündet.

Verstoßen von Menschen – und Gott?

Kranke galten als unrein und durften deshalb nicht in den Tempel. Das ließ in ihnen natürlich das Gefühl entstehen: ich bin nicht allein von den Menschen verstoßen, sondern auch von Gott. An diesem Gedanken sind vermutlich manche verzweifelt.

Der Aussätzige im Markus-Evangelium hat wohl von Jesus gehört und setzt auf ihn seine Hoffnung. Und dann folgt das Unglaubliche. Ehe Jesus den Kranken heilt, erzählt das Evangelium: Er hat Mitleid, also Empathie; er streckt seine Hand aus, schenkt also Zuwendung; und er berührt ihn. Das war nicht normal. Einen Aussätzigen berührte man doch nicht. Jesus tat es. Der Schreiber des Evangeliums sagt mit dieser Geschichte: So wie Jesus handelt, so ist Gott. Er geht auf die Menschen zu. Er berührt die Menschen.

Berührung und Nähe in Corona-Zeiten

Das heißt für mich heute in Corona-Zeiten nicht, alle Vorsichtsmaßnahmen über Bord zu werfen. Das heißt, mit Phantasie und Kreativität Formen zu finden, Nähe zu zeigen. Denn das sagt ja letztlich das Evangelium: Jesus weiß, was dem Menschen, was den Kranken, gut tut: Sie wollen beachtet werden, wünschen sich Zuwendung, suchen Berührung.

Ich denke, das brauchen bis heute kranke und schwache Menschen. Und Beachtet-werden, Berührt-werden, das geht auch in Corona-Zeiten: durch einen freundlichen Blick, ein Lächeln, einen Brief, eine Postkarte, ein Telefonat.

Musik: Georg Philipp Telemann, Andante aus dem Violakonzert G-Dur Stephen Shingles, Viola / Academy of St Martin in the Fields / Sir Neville Marriner (CD: Festliche Tafelmusik; Decca)

Die Einsamkeit mit kreativen Ideen verjagen

Das Evangelium von der Heilung des Aussätzigen ist Inspiration auch für Heute, gerade in diesen Corona-Zeiten. Der Blick auf Jesus macht Mut, vorbehaltlos auf die Mitmenschen zuzugehen, besonders auf die Kranken. Das heißt sicher nicht, dass ich blauäugig sei soll. Klar gilt es, Ansteckung zu vermeiden. Aber ich versuche, immer neu Formen zu entwickeln, um im Abstand Nähe zu zeigen. Die braucht es.

Mutter Teresa hat zu ihrer Zeit in Indien schon gesagt: Nicht Lepra ist das größte Problem, sondern das Nicht-Beachtet-sein, das Links-liegen-gelassen-werden, vor allem die Einsamkeit. Wir wissen heute auch, welche Not die Einsamkeit ist in diesen Corona-Zeiten, nicht nur in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen. Deshalb gilt es, Phantasie zu haben für Nähe und mitmenschliche Kontakte durch Winken, Telefonieren, Schreiben, ein Päckchen vor die Tür legen, was immer.

Er ist an meiner Seite

Jesus ist an meiner Seite, wenn ich wie er Menschen Nähe schenke, sie berühre – im wörtlichen oder übertragenen Sinn – und wenn ich mich auch von Gott berühren lasse. Denn Gott schenkt Nähe und Berührung. Das kommt für mich in einem Morgengebet des indischen Dichters Rabindranath Tagore zum Ausdruck, mit dem ich schließe:                  

Herr, ich komme zu dir,
dass deine Berührung mich segne,
ehe ich meinen Tag beginne.

Lass deine Augen
eine Weile ruhen auf meinen Augen.

Lass mich das Wissen
um deine Freundschaft
mitnehmen in meinen Alltag.

Fülle meine Seele mit deiner Musik,
mit deinem Frieden, mit deiner Freude.

Begleite mich durch den Lärm des Tages
und lass den Sonnenschein
deiner Liebe über mir erstrahlen.

Herr, lass im Tal der Mühen
Früchte reifen in Fülle.

(in: Te deum, August 2017, Seite 233)

Musik: Georg Philipp Telemann, Presto aus dem Violakonzert G-Dur, Stephen Shingles, Viola / Academy of St Martin in the Fields / Sir Neville Marriner (CD: Festliche Tafelmusik; Decca)

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