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„Vergesst Gott nicht!“ – Heute vor 75 Jahren wurde Alexander Schmorell hingerichtet
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„Vergesst Gott nicht!“ – Heute vor 75 Jahren wurde Alexander Schmorell hingerichtet

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Heute vor 75 Jahren haben die Nazis Alexander Schmorell hingerichtet. Er studierte in München Medizin und war Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, zusammen mit den Geschwistern Scholl. Sie schrieben und verteilten Flugblätter gegen das Nazi-Regime.
Schmorell hatte eine russische Mutter und einen deutschen Vater und war russisch-orthodox getauft. Sein tiefer Glaube motivierte ihn zum Widerstand gegen die Nazis. Die russisch-orthodoxe Kirche hat ihn deshalb heiliggesprochen. Seit 2012 gibt es den sogenannten Neuheiligen Alexander von München. Auf seiner Ikone hält er ein Kreuz und eine weiße Rose in der Hand.
Wie stark sein Glaube war, wissen wir auch aus seinen Briefen. Wenige Stunden vor seinem Tod schrieb er einen Abschiedsbrief an seinen Vater und an seine Stiefmutter. Seine Mutter war schon früh gestorben. Es sind Worte, die berühren, trösten und aufrütteln. Schmorell schreibt:
„Nun hat es doch nicht anders sein sollen, denn heute soll ich mein irdisches Leben abschließen, um in ein anderes einzugehen, das niemals enden wird, und in dem wir uns alle wiedertreffen werden. Dies Wiedersehen sei euer Trost und eure Hoffnung.“ Alexander Schmorell schreibt weiter: „Für euch ist dieser Schlag leider schwerer als für mich, denn ich gehe hinüber in dem Bewusstsein, meiner tiefen Überzeugung und der Wahrheit gedient zu haben.“ Er ist sich sicher: „In wenigen Stunden werde ich im besseren Leben sein, bei meiner Mutter. Und ich werde euch nicht vergessen. Und werde auf euch warten. Eins vor allem lege ich euch ans Herz: Vergesst Gott nicht!“
Mich beeindruckt, wie ruhig Alexander Schmorell in seinen letzten Stunden war. Der junge Student kam an den Punkt, an dem er nichts mehr für sich tun konnte. „Vergesst Gott nicht!“ Mit Gott zu rechnen, kann helfen, gelassener zu werden. Denn wir haben unser Leben nie ganz in der eigenen Hand. Wie oft strenge ich mich an und will in jeder Lebenslage selbst dafür sorgen, dass alles gut wird. Da entlastet es mich, wenn ich darauf vertraue: Gott begleitet mich. Gott nicht zu vergessen, kann heißen: Loslassen, was ich nicht oder nicht mehr beeinflussen kann.
Das gilt in besonderer Weise für das Sterben. Alexander Schmorell konnte in Frieden sterben und wollte mit seinen Zeilen diejenigen trösten, die um ihn trauern. Er erinnerte sie daran: Vergesst nicht, was Gott uns verspricht. Im anderen Leben werden wir uns wiedertreffen. Ein tröstlicher Gedanke für alle, die einen geliebten Menschen verloren haben oder den Todestag eines nahen Angehörigen begehen. Ja, wir werden uns wiedersehen.
„Vergesst Gott nicht!“ Das hieß für Alexander Schmorell auch: die anderen nicht zu vergessen. Er erinnert in seinem Brief an die Millionen jungen Menschen, die die Nazis in den Tod geschickt haben – auf den Schlachtfeldern und in den Gaskammern. Die Worte von Schmorell fordern mich auf, nicht nur um mich selbst zu kreisen. Sie machen Mut, aktiv zu werden und dort aufzustehen, wo Menschen ausgegrenzt und diskriminiert werden.
In meiner Kirche, der evangelischen Kirche, werden Menschen nicht heiliggesprochen. Es gibt Vorbilder im Glauben. Menschen, die im Leben und im Sterben auf Gott vertrauen. Die der Wahrheit dienen und auf ihre Weise sagen: „Vergesst Gott nicht!“ So wie Alexander Schmorell das getan hat.

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