Ihr Suchbegriff
Beitrag anhören:
Mal ein Stück zurück treten….
Bild: Pixabay

Mal ein Stück zurück treten….

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
Beitrag anhören:

Im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen gibt es eine geräumige Ausstellungshalle. Sie liegt etwas versteckt in einem Hinterhof und nach der Hausnummer heißt sie einfach „1a“. Künstlerinnen und Künstler aus der Region stellen dort aus. Der Ausstellungsraum war früher mal eine industrielle Waschhalle und bietet reichlich Platz. Ein Künstler, der vor einer Weile dort großflächige Gemälde ausgestellt hat, sagte mir damals: „Das Tolle an so einer Ausstellung hier ist nicht nur, dass ich meine Werke vielen Menschen zeigen kann. Auch ich selbst kann meine Werke mal mit Abstand sehen.“ Er meinte tatsächlich erstmal den räumlichen Abstand: in der Halle ist es möglich, 10 oder sogar 20 Meter zurück zu treten und so ein Werk als Ganzes zu sehen und auf sich wirken zu lassen. Das geht im kleinen Atelier natürlich nicht.  Vielleicht meinte der Künstler das auch in einem übertragenen Sinne: mit Abstand, also wie von außen, auf die eigene Kunst zu schauen. Jedenfalls ist mir der Satz auch nach etlichen Jahren im Gedächtnis geblieben.

Ehrlich gesagt wünsche ich mir das manchmal auch für mein Leben: Mal zurücktreten und das große Ganze sehen, also die großen Linien und nicht nur das Klein Klein des Alltags. Ich wünsche mir ja gar keine Ausstellung meines Lebenswerks, eher so eine Art Zwischenbilanz. Die würde mir vielleicht helfen, mehr Klarheit zu bekommen: Welche großen Linien und Bewegungen sind im Bild schon sichtbar? Und was fehlt noch in meinem Werk, was hat bisher noch keinen Platz? Ich könnte erkennen: Wo müsste ich deutlicher werden und sollte die Abstraktion verlassen? Und welche Farben wären noch schön? Kurz: Ich könnte immer mehr meinen eigenen Stil finden. Und bestimmt kämen mir noch ganz neue kreative Ideen! 

Und am liebsten würde ich neben guten Freundinnen und Freunden auch Gott einladen zu dieser Vernissage. Obwohl ... er oder sie kennt das Bild ja längst, schließlich hat Gott die Materialien dazu bereitgestellt – und war, so glaube ich, auch beim Entstehungsprozess dabei. Und trotzdem, die Kommentare und Ideen von Gott wären mir wichtig.

Jetzt in den Anfangswochen des neuen Jahres laufen im Fernsehen noch immer die Rückblicke auf das vergangene Jahr 2020. Corona ist dabei allgegenwärtig. Wenn ich auf mein eigenes 2020 schaue, mit ein bisschen Abstand, dann scheint es mir kein großes Meisterwerk zu sein. Auch in meinem Jahr hat das Virus seine Spuren hinterlassen. Aber ich entdecke auch noch andere Themen und Bewegungen. Und ich bin gespannt, was ich im Neuen Jahr mitgestalten kann und welche Möglichkeiten sie bekommt, die Lebenskünstlerin in mir.     

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren