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Keine neuen Mauern hier bei uns
Bild: csakem_pixabay

Keine neuen Mauern hier bei uns

Verena Maria Kitz
Ein Beitrag von Verena Maria Kitz, Katholische Pastoralreferentin in St. Michael, Zentrum für Trauerseelsorge, Frankfurt
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Ich habe zwar keine ganz dramatische Geschichte zu erzählen, vom Mauerbau heute vor 60 Jahren in Berlin. Aber auch unsere Familie ist von diesem Mauerbau geprägt worden – wie, das weiß ich vor allem von dem, was mir meine Oma früher erzählt hat.

Keine Chance, ihren Glauben frei leben zu können

Wie ihre Schwester, das war noch etwas vor dem Mauerbau, mit den beiden kleinen Töchtern aus der DDR geflohen ist. Offiziell waren sie auf Familienbesuch im Westen, seit langem beantragt. In Wirklichkeit waren sie bei meiner Oma untergekommen. Alle wohnten in Omas Schlafzimmer, sie selber schlief monatelang auf der Couch. Der Onkel war ein paar Wochen später noch nachgekommen, nur mit einer Aktentasche. Die Lage hatte sich für die Familie zugespitzt, sie gehörten zur katholischen Gemeinde im Ort, und es war ihnen klargeworden: Kinder aus so einer Familie hätten in der DDR keine Chancen gehabt auf Bildung oder darauf, ihren Glauben frei leben zu können.   

Deutschland endete an der Mauer

Für mich war dann als Kind oder auch noch als Jugendliche die DDR wirklich hinter dieser Mauer, die da heute vor 60 Jahren in Berlin errichtet wurde, verschwunden. Wir hatten keine anderen Verwandten dort. Und selbst in der Schule endete das Deutschland, mit dem wir uns beschäftigt haben, außer im Geschichtsunterricht, an der Mauer.

Dazu beitragen, dass keine neuen Mauern gebaut werden

Ich bin unglaublich dankbar, dass wir heute an den Mauerbau denken können und wissen: Das ist Geschichte, Vergangenheit. Diese Mauer teilt unser Land nicht mehr. Aber diese Erinnerung, die zeigt mir auch, wie groß unsere Verantwortung ist: Dass Mauern erst gar nicht aufgebaut werden. Und da denke ich nicht nur an Mauern aus Stacheldraht oder Steinen. Mauern werden schon da gebaut, wenn Kinder nicht mit Kindern spielen dürfen, die eine andere Hautfarbe haben oder Religion. Wenn ich mich in der Bahn wegsetze, nur weil jemand mit Kopftuch in meiner Nähe Platz nimmt. Daran will ich heute, am Tag des Mauerbaus, denken: Ich kann und ich will dazu beitragen, dass keine neuen Mauern gebaut werden, hier bei uns.

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