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Geben und nehmen
Bild: Pexels/Pixabay

Geben und nehmen

Tanja Griesel
Ein Beitrag von Tanja Griesel, Evangelische Pfarrerin, Fritzlar
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Aus heiterem Himmel schüttet es wie aus Eimern. Und ich gerate mitten in einen heftigen Regenschauer. Die meisten Geschäfte sind um die Uhrzeit noch nicht offen, also drücke ich mich nah an ein Schaufenster und suche unter einer kleinen Markise Schutz. Hätte ich doch bloß einen Schirm eingesteckt! In dem Moment geht die Ladentür hinter mir auf. Eine Frau erscheint. „Kommen Sie doch rein“, bittet sie mich und lächelt mich an. Ich wehre ab. Was soll ich in einer Reinigung? Ich muss zur Arbeit. Weit ist es nicht mehr. Aber ich käme sicher völlig durchnässt dort an. „Warum überlegen Sie noch?“, fragt die Frau. „Nun los, machen Sie schon. Kommen Sie ins Trockene!“ Erst will ich ihr widersprechen. Schließlich bin ich kein Kunde. Ich habe keine Wäsche dabei und möchte auch nichts abholen. Als die Frau mich zum dritten Mal freundlich bittet, gebe ich mir einen Ruck – und folge ihr.

Warum fällt es mir manchmal so schwer, Hilfe anzunehmen? Vielleicht weil ich mich dann frage: Was bin ich der anderen Person nun schuldig? Wie kann ich es wieder gut machen? Geben und Nehmen. Das ist mehr als eine Redewendung. In unserer Gesellschaft ist dies ein ungeschriebenes Gesetz: Man hilft sich gegenseitig. Leihst du mir dein Werkzeug, leihe ich dir meine Arbeitskraft. Bittet man um ein Pfund Butter, ersetzt man die Leihgabe bei nächster Gelegenheit. Wenn die Nachbarin im Urlaub ist, füttere ich ihre Katze. Wenn ich verreise, gießt sie meine Blumen. Sich nichts schuldig bleiben. Darum geht es beim Geben und Nehmen.

Es gibt Situationen, in denen dieses Prinzip außer Kraft gesetzt ist. Da kann ich nichts geben. Nichts ausgleichen. Da bin ich Beschenkte. Wie an dem Morgen, als mich der Regen überrascht hat. Ich durfte mich nicht nur unterstellen. Obendrein bekam ich noch einen frischen türkischen Tee zubereitet. Er schmeckte köstlich. Heiß und süß – und herzerwärmend, so wie das Lächeln, das die Frau mir schenkte. Sie war zufrieden, mir helfen zu können. „Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus (Psalm 51,14)“ – so sagt es die Bibel. Manches geschieht zu meiner Freude – einfach so! Da geht die Rechnung von Geben und Nehmen nicht auf. Was ich dennoch tun kann? Die Hilfe annehmen und mich darüber freuen!

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