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Ein besonderes Spiel
Bild: Martina Janochova/Pixabay

Ein besonderes Spiel

Carmen Jelinek
Ein Beitrag von Carmen Jelinek, Evangelische Dekanin, Kirchenkreis Kaufungen
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Im Jahr 1913 erscheint das Kinderbuch "Pollyanna" von Eleanor H. Porter.
Es erzählt von einem 11jährigen Mädchen. Sie heißt Pollyanna. Ihre Eltern sind gestorben und als Waise kommt sie zu ihrer verbitterten Tante Polly. Sie nimmt sie nur aus Pflichtgefühl auf. Pollyanna hat es nicht leicht. Sie wird im Haus der Tante nur geduldet. Doch sie ist mit einer großen Portion Lebensfreude und unerschütterlichem Frohsinn ausgestattet. Das macht es ihr leicht, schnell Kontakte zu knüpfen und auch das Herz ihrer Tante zu erobern.

Die Quelle ihres Frohsinns ist ein Spiel, das ihr der verstorbene Vater, ein Missionar, beigebracht hat. Der Vater bekommt Geldspenden und auch materielle Spenden zum Lebensunterhalt geschickt. Selten entsprechen allerdings die Spenden den Bedürfnissen und Wünschen von Vater und Tochter. Pollyanna hofft immer, dass eine Puppe in einem der Pakete aus der Heimat ist. Heute ist wieder eins angekommen. Hoffnungsvoll öffnet sie das Paket mit ihrem Vater. Statt der ersehnten Puppe sind Krücken drin. Der Vater sieht wie enttäuscht Pollyanna ist. Um sie aufzuheitern, schlägt er ihr vor: „Lass uns ein besonderes Spiel spielen. Und das Spiel geht so: Jeder von uns versucht etwas zu finden, worüber man sich freuen kann. Ich gebe dir ein Beispiel.“ Der Vater sagt: „Du bist enttäuscht, dass keine Puppe da ist. Aber du kannst dich freuen, dass Du laufen und springen kannst. So lernt Pollyanna froh zu sein, dass sie die Krücken gar nicht nötig hat. Pollyanna verinnerlicht dieses Spiel. Sie überrascht damit auch griesgrämigste Zeitgenossen und überwindet mühseligste Situationen.

Dem reichen Mr. Pendleton, der sehr geizig ist, wenn er sich sein Mittagessen im Gasthaus bestellt, erzählt sie ungefragt:
„Wenn man arm ist, bleiben einem nur die billigen Sachen. Vater und ich haben viel auswärts gegessen. Meistens gab’s Bohnen und Fischklöße. Wir sagten immer, wie froh wir sind, dass wir Bohnen mögen – also vor allem, wenn wir vor dem gebratenen Truthahn für sechzig Cent standen.“
Sie spielt also auch mit anderen das besondere Spiel. Pollyanna hilft Ihnen, nicht nur auf den Mangel zu schauen. Sie sucht mit ihnen das Gute, was auch in einer Situation da ist.

Natürlich ist es nicht das Ziel des Buches, dass jegliche Umstände schöngeredet werden sollen. So möchte ich das Spiel nicht verstehen. Wenn jemand ernsthaft krank ist oder einen schweren Verlust hinnehmen muss, dann möchte ich ihm beistehen. Seine Trauer und Sorge ernstnehmen, anstatt gleich zu schauen, woran er sich in dieser Situation freuen kann. 

Aber in meinen Alltag möchte ich das Spiel mitnehmen: Nicht nur auf das zu schauen, was mir fehlt. Sondern das zu finden, worüber ich mich freuen kann.

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