Ihr Suchbegriff
Das Weihnachtsfest ist vorbei – Weihnachten aber hat erst angefangen!
Bildquelle: Pixabay

Das Weihnachtsfest ist vorbei – Weihnachten aber hat erst angefangen!

Winfried Engel
Ein Beitrag von Winfried Engel, Katholischer Ltd. Schulamtsdirektor i. K. i. R., Fulda

Jetzt ist sie endgültig vorbei, die Weihnachtszeit. So sagt es jedenfalls der kirchliche Kalender. Mit dem Fest der „Taufe des Herrn“, das am heutigen Sonntag begangen wird, endet der weihnachtliche Festkreis. Wieder einmal geschafft, werden Viele sagen. Für andere ist Weihnachten schon länger Vergangenheit. Sie haben die Weihnachtszeit bereits beendet, als die Weihnachtsmärkte geschlossen wurden. Die Feiertage, ja die gehörten natürlich noch dazu. Aber als die vorbei waren, war auch Weihnachten vorbei. Und darauf hatte man sich vier Wochen oder sogar noch länger eingestellt. Da stimmen irgendwie die Relationen nicht. Doch so ist es nun mal.

„Weihnachten ist vorbei“, damit möchte ich mich heute aber nicht zufrieden geben. Ich möchte diese Aussage sogar umdrehen und sagen: Weihnachten hat erst angefangen. Diese Behauptung mag überraschen, aber ich will sie gern erläutern. Mit „Weihnachten“ meine ich die Erinnerung an die Geburt Jesu, an die Menschwerdung Gottes auf Erden. Das ist die Kernaussage dessen, was Christen an Weihnachten feiern. Und die Erinnerung an diese Menschwerdung ist ja nicht punktuell zu verstehen, sondern der Beginn eines Weges. Begonnen hat dieser Weg damit, dass sich der unendlich große Gott klein gemacht und in einem Kind zu Welt gekommen ist. Nicht in einem Palast, etwa als König, sondern in ärmlichen Verhältnissen, in einem Stall. Das kann man sich gar nicht vorstellen, so unglaublich klingt das. Unglaublich, das ist es auch für viele Menschen, weil in dieser Menschwerdung ein Widerspruch zu stecken scheint: Der große Gott, schon damals für die Menschen in unerreichbarer Nähe, nicht einmal seinen Namen durfte man aussprechen. Dieser Gott soll in einem Menschenkind auf die Welt gekommen sein? Widerspruch über Widerspruch ergibt sich da: Unendlich groß - winzig klein. Allmächtiger Gott - hilfloses Kind. Herrlichkeit des Himmels - armseliger Stall, und die Reihe könnte ich noch beliebig fortsetzen. Kein Wunder also, wenn die menschliche Vorstellung hier kapituliert oder manch einer das Ganze in den Bereich Idylle, liebliche Geschichte verschiebt. Und solche Widersprüche lassen sich auch nicht auflösen. Generationen von Theologen haben dazu gearbeitet, haben Erklärungen und Formulierungen für die richtige dazu passende Glaubensaussage gesucht – ohne Erfolg! Ja, natürlich gibt es eine klar formulierte kirchliche Lehre dazu, aber die in ihr steckende Spannung ist nicht auflösbar. Der menschliche Verstand muss kapitulieren, wenn er dieses Geschehen mit seiner Vernunft durchdringen will. Weihnachten ist und bleibt ein Geheimnis, und doch ist sein Geschehen höchst real. Ich bleibe bei meiner Aussage: Weihnachten hat erst angefangen!

 

Weihnachten hat erst angefangen, das meint konkret: Die Geschichte Gottes mit den Menschen hat an Weihnachten eine ganz neue Wendung genommen. Das Volk Israel wusste sich seit Jahrhunderten von Gott begleitet und beschützt. Gott war für die Menschen da, aber er war unnahbar. Jetzt kommt er auf die Welt, wird einer von ihnen. Einer zum Anfassen, könnte man sagen. Das Fest „Taufe des Herrn“, das heute gefeiert wird, steht für den Beginn der Jahre, die Jesus bis zu seinem Tod in der Öffentlichkeit wirkt. Zwischen seiner Geburt und der Taufe am Jordan liegen gut 30 Jahre. Aus dem kleinen Kind in der Krippe ist ein Mann geworden. Ein Mann, der den Menschen zeigt, der sie spüren lassen will, dass Gott nah ist. Damals lebte in der Wüste ein Mann namens Johannes. Er war ein Verwandter Jesu. Jetzt lebt er als Prophet in der Wüste Judäas und kündigte das nahe Kommen des Messias an. Er rft zur Umkehr auf und tauft als Zeichen dafür mit Wasser. Zu diesem Mann kommt Jesus, um sich von ihm taufen zu lassen. Johannes weigert sich zunächst, Jesus zu taufen, weil er der Meinung ist, dass eigentlich Jesus ihn taufen müsste. Doch Jesus will keine Sonderbehandlung, er lässt sich taufen wie viele andere Menschen seiner Zeit. Von da an beginnt Jesus sein öffentliches Wirken. Er zieht durch die Lande, verkündet die Botschaft vom nahen Gottesreich und sammelt viele Gefährten um sich. Weihnachten beginnt konkret zu werden, so möchte ich sagen. Auf vielfache Weise macht  Jesus den Menschen deutlich, was es heißt, dass Gott ihnen nahe ist. Theologen nennen das den „Anbruch des Reiches Gottes unter den Menschen“. Jesus wendet sich denen zu, die in der damaligen Gesellschaft am Rand stehen, den Armen und Kranken zum Beispiel. Wen Schicksalsschläge heimsuchen, der muss sich Gott gegenüber schlecht verhalten haben, so glaubte man damals. Deshalb wollen die meisten Leute mit ihnen nichts zu tun haben. Und ausgerechnet auf solche Menschen geht Jesus zu, spricht mit ihnen, schenkt ihnen Zuwendung. Er heilt Kranke und Aussätzige. Damit macht er deutlich, dass in Gottes Reich alles heil wird, dass dort keinerlei Mangel herrscht. Entscheidend für ihn ist, dass die Menschen offen sind für seine Botschaft, dass sie sich sagen lassen: Gott ist mit dir, er ist in diese Welt gekommen, damit sie heil wird. Wer dieses annimmt, der bekommt es im wahrsten Sinn des Wortes zu spüren, was das heißt. „Dein Glaube hat dir geholfen!“ Denn genau so nennt das die Bibel in ihren Berichten.        

 

Weihnachten hat erst angefangen, das gilt nach meiner Überzeugung auch heute. Ja, natürlich, das historische Datum der Geburt Jesu liegt über 2000 Jahre zurück. Doch für Christen ist jedes Jahr erneut Weihnachten. Sie feiern das Fest der Geburt Jesu in ganz besonderer Weise. Ich kenne kein Fest im Jahresverlauf, dass einen solch langen Vorlauf hat und für das solch gewaltige Vorbereitungen getroffen werden. Und das muss doch auch Nachwirkungen haben, das kann einfach nicht nach zwei Tagen vorbei sein. Doch was kann das heute bedeuten, dass Weihnachten erst angefangen hat? Die Kriterien für die Beantwortung dieser Frage finden wir in den Berichten über Jesus und sein Wirken vor 2000 Jahren. Die Handelnden sind die Christen, sind die Menschen, die an Weihnachten das gefeiert haben, was die christliche Botschaft sagt: Gott ist Mensch geworden. Jetzt gilt es, das umzusetzen, was mit der Botschaft gemeint ist: Armen und Bedürftigen zu helfen, Kranken und Hilflosen beizustehen, dort Licht in die Welt zu bringen, wo es bei Menschen dunkel ist. Und wenn ich mich in unserer Welt umschaue, dann geschieht das auch tagtäglich. Da ist große Bereitschaft, für andere in Not zu spenden. Das haben wir an Weihnachten wieder erlebt, bei großen Gala-Veranstaltungen im Fernsehen oder auch im Kleinen, wo Menschen anderen Gutes tun, ohne groß darüber zu reden. Da gibt es ungezählte Gruppen von Menschen, die sich in Besuchsdiensten engagieren. Sie besuchen Menschen in Krankenhäusern oder Seniorenheimen, schenken ihnen Zuwendung und Zeit, bringen Abwechslung und damit etwas Licht in ihren Alltag. Ich denke an die zahlreichen Helferinnen und Helfer in den Tafeln, die in größeren Städten dafür sorgen, dass bedürftige Menschen Lebensmittel kaufen können. Nicht zu vergessen die vielfältigen Begegnungen, in denen Menschen einfach für andere da sind, ihnen zuhören, mit ihnen Anteil nehmen an schweren Schicksalsschlägen, ihnen zur Seite stehen. Ja, Weihnachten hat erst angefangen. Das gilt in jedem Jahr neu, und es ist tatsächlich so. Das alles kann die bleibende Not in den Krisen- und Kriegsgebieten dieser Erde nicht aus der Welt schaffen, es kann Naturkatastrophen und deren schlimme Folgen nicht ungeschehen machen. Es trägt jedoch dazu bei, dass trotz aller Dunkelheit, die in unserer Welt herrscht, auch immer wieder Licht zu sehen ist.

 

Weihnachten ist vorbei, ja das gilt. Der weihnachtliche Schmuck in den Straßen und Schaufenstern hat die Zeit bis zum heutigen kirchlichen Ende der Weihnachtszeit nicht überdauert. Die geschmückten Christbäume in den Wohnungen sind zumeist verschwunden, die Weihnachtskrippen wieder in den Schränken verstaut. Doch geblieben ist Vieles von dem, was diese Botschaft von Weihnachten sagt: Gott ist den Menschen nahe gekommen. Und das hinterlässt Spuren. Menschen tragen die Botschaft von Weihnachten weiter. Das schenkt Hoffnung und Zuversicht. Und deshalb sage ich noch einmal: Das Weihnachtsfest ist vorbei, doch Weihnachten hat erst angefangen!  

Weitere ThemenDas könnte Sie auch interessieren