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Abschied feiern
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Abschied feiern

Ute Zöllner
Ein Beitrag von Ute Zöllner, Evangelische Pfarrerin i.R., Pastoralpsychologin, Kassel
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Zum Abschied gibt es Schokolade und Sekt. Sonja stellt die Leckereien voller Schwung auf den Tisch. „Schaut mal, was ich mitgebracht habe“, sagt sie. „Ich finde, das haben wir uns verdient, so fleißig, wie wir gearbeitet haben. Sekt und Schokolade - das gönnen wir uns zum Abschluss. Nur eine Teilnahmebestätigung reicht für unsere Truppe nicht aus. Wir haben mehr verdient.“ Sonja scheint bester Laune. Aber sie ist auch traurig und versteckt ihre Stimmung hinter ihrer munteren Fassade.
Viele Wochenenden haben wir gemeinsam gelernt und sind für die Fortbildung nach Giessen gefahren. Ein großer Einsatz nach einer anstrengenden Arbeitswoche. Wir waren neugierig auf das Thema. Wir wollten mehr darüber wissen, wie Menschen nach einer seelischen Erschütterung wieder Boden unter die Füße bekommen. Schnell sind wir zu einer Gruppe zusammengewachsen, in der wir einander vertrauen.

Aber nun heißt es, Abschied zu nehmen. Sonja fährt zurück ins Hinterland, wo sie seit kurzem in einer Klinik arbeitet. Ihr fällt der Abschied aus der Gruppe besonders schwer. So nah wir uns auch gekommen sind - es ist unwahrscheinlich, dass wir einander bald wiedersehen. Vielleicht schreiben wir uns eine Karte zum Geburtstag oder zu Weihnachten. Vielleicht. Nach diesem Wochenende wird jede wieder in ihren Alltag zurückkehren.

Heute ist Gründonnerstag. Da erscheint mir diese Begebenheit noch in einem ganz anderen Licht. Ist es wirklich Zufall, dass Sonja etwas zu essen und zu trinken mitgebracht hat? Ich denke nicht. In ihrem Wunsch, die Fortbildung nett zu beenden, ist für mich noch eine ganz andere, die christliche Tradition verborgen. Wenige Stunden vor seiner Kreuzigung, hat Jesus seine Jünger zum Essen eingeladen. Zum letzten Mal möchte er mit ihnen die Gemeinsamkeit genießen und die Geborgenheit im Glauben, der sie miteinander verbindet.

Damals, am Tag vor dem Passahfest, kommen sie zusammen und teilen Brot und Wein. Sie erinnern sich an die Befreiung ihres Volkes aus der Gefangenschaft in Ägypten. Das ist lange her. Vor dem Aufbruch hatten sie noch schnell ein Lamm geschlachtet. Sie wurden vor dem Tod bewahrt, der Pharao ließ sie ziehen.

Jesus ahnt an diesem Abend, was ihm bevorsteht. Der endgültige Abschied von seinen Jüngern. Er bereitet sich auf den Tod vor. Er möchte die Jünger untereinander verbinden und sich selber mit ihnen – für immer.

 

Ich denke, dass sich manchmal in unseren alltäglichen Gebräuchen religiöse Traditionen verbergen, nur ist mir das nicht immer bewusst.

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