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Fürchtet euch nicht!
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Fürchtet euch nicht!

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

Mir hat jemand ein merkwürdiges Weihnachtsgeschenk gemacht. In einem Briefumschlag war eine Weihnachtskarte und ein Zeitungsausschnitt mit dem Titel „Und niemand hatte Schuld. Über eine Kindheit vor Handy, Playstation und Internet.“ Da lese ich: „Wenn du als Kind in den 50er oder 60er Jahren lebtest, ist zurückblickend kaum zu glauben, dass wir so lange überleben konnten.“

So fängt der Text an. Ich lese weiter: „Als Kinder saßen wir in Autos ohne Sicherheitsgurt. Unsere Bettchen waren mit leuchtenden Farben voller Cadmium angemalt. Wir fuhren mit dem Fahrrad ohne Helm. Wir verließen morgens das Haus und blieben den ganzen Tag weg. Niemand wusste, wo wir waren; und wir hatten nicht einmal ein Handy dabei. Wir haben uns manchmal geschnitten, auch mal einen Zahn oder Knochen gebrochen. Niemand wurde deswegen verklagt. Niemand hatte Schuld, außer wir selbst. Wir aßen Kekse und wurden nicht zu dick, tranken mit unseren Freunden aus einer Flasche, und niemand starb an den Folgen. Wir spielten mit Stöcken und stachen uns dabei nicht besonders viele Augen aus. Wir aßen Würmer, die nicht für immer in unseren Mägen lebten. Wie war das alles nur möglich? Wenn du auch zu diesen Kindern von damals zählst, dann herzlichen Glückwunsch.“

Als ein Kind von damals musste ich darüber lachen. Stimmt schon, wir sind heute viel vorsichtiger. Die Welt ist komplizierter geworden und wir sind unsicherer und ängstlicher. Es gibt auch immer mehr Gefahren – besonders für die Kinder. Natürlich werde ich weiter meine Enkelkinder im Auto anschnallen und sie nicht ohne Helm Fahrrad fahren lassen. Manchmal tut aber etwas mehr Gelassenheit gut. Wenn ich in allem übervorsichtig bin, entsteht gerade dadurch wieder Angst. Wenn Gefahren im Leben drohen, gerade dann ist das Vertrauen zu sich selbst nötig, das Vertrauen, dass das Leben gelingt.

Der christliche Glaube schenkt ein tiefes Vertrauen. „Fürchtet euch nicht!“. sagt der Engel im Weihnachtsevangelium den Hirten auf dem Feld. Die kannten Gefahren, die ihnen drohten. Die wussten, wovor sie sich fürchten mussten. Abseits von Dörfern und Städten draußen auf dem Feld waren sie unterwegs. In der Nacht kann vieles lauern: wilde Tiere, Räuber. Ein Schaf kann sich im Dunkeln verlaufen und verloren gehen. Dazu die Sorgen eines Hirten, ob er seinen Arbeitsplatz bei der Herde behält, um die Familie weiter ernähren zu können. Oder ein Kind zuhause ist krank.

Darüber könnten die Hirten gesprochen haben am Feuer bei ihren Herden. Mittendrin erscheint ein Engel und sagt ihnen: „Fürchtet euch nicht! Denn euch ist heute der Heiland geboren!“ Ihr seid nicht gottverlassen mit euren Ängsten und Sorgen. Gott wird ein Kind, so verletzlich und zart, wie eure Kinder sind. Fürchtet euch nicht. Das heißt, allen Ängsten und Gefahren zum Trotz vom Vertrauen zu reden und das zu stärken, auch an diesem Heiligen Abend. Das will ich tun und auch an meine Enkelkinder weitergeben.

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