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Warum man Gott nicht sehen kann
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Warum man Gott nicht sehen kann

Ein Beitrag von Christof Hartge, Alt-Wildungen
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Für Lieder gibt es Charts, für Filme Hitlisten. Für Geschichten der Bibel wüsste ich jetzt keine. Aber eines weiß ich aus der Grundschule. Wenn ich morgen eine Familiengeschichte aus dem Alten Testament erzählen werde, dann wird die Geschichte laufen. Kinder sind ein ehrliches Publikum. Wenn ihnen die Geschichte nicht gefällt, zeigen sie das auch. So, dass ich es merke. Jesusgeschichten zum Beispiel, mit Ausnahme der Passionsgeschichte, erfreuen sich keiner großen Beliebtheit. Vielleicht muss man erst erwachsen werden, um sich in Jesusgeschichten hinein zu fühlen. Der Gott der alttestamentlichen Familien- und Königsgeschichten aber, der Menschen besucht und sich zeigt, der gefragt werden kann und antwortet, der spricht und handelt, der Jerusalem liebt und zornig Sodom und Gomorrha in Asche zerfallen lässt, dessen Geschichten mögen Kinder, jedenfalls die in meinen Klassen.

Neulich habe ich erzählt, wie Abraham mit Gott verhandelt. Erst will Gott die Städte Sodom und Gomorrha wegen ihrer Sünden zerstören. Dann bewegt Abraham ihn: „Lass es doch“, bittet er, „wegen 50 Gerechter, die in der Stadt wohnen könnten, lieber bleiben!“ Schließlich hat Abraham Gott auf 10 Gerechte heruntergehandelt, dann ist Schluss. Die Kinder verfolgen gebannt das Zwiegespräch zwischen Abraham und Gott. Unglaublich, ein Mensch verhandelt mit Gott. Wie das wohl ausgeht? Da sagt ein Junge: „Ich möchte auch gerne mit Gott sprechen.“ „Geht nicht, der ist unsichtbar“ antwortet ein anderes Kind. Das stellt den Fragesteller nicht wirklich zufrieden. „Warum?“ fragt er. Keiner weiß eine gute Antwort. Nach der Stunde geht mir die Diskussion der Kinder noch nach. Ich könnte auch denken: Gott ist unsichtbar, weil es ihn nicht gibt. Gut, dann erübrigt sich weiteres Fragen. Wenn das aber nicht geht, weil man mit ihm schon so viel erlebt hat, dann stellt sich eine andere Frage. Vielleicht hat Gott einen Grund, uns nicht von Angesicht zu Angesicht gegenüber zu treten?

Bei Menschen sehe ich, dass sich ihr Leben ins Gesicht einzeichnet. Je älter, desto mehr. Nun stelle ich mir vor, in Gottes Angesicht zeichnet sich auch ein, was er erlebt hat. Er, der schon so lange da ist und schon so viel mit der Menschheit erlebt hat. Dann steht in Gottes Angesicht mehr geschrieben, als Menschen ertragen können. Mehr an Lebensfreude, mehr an Schmerz, mehr an Zorn, auch mehr an Güte, als ein menschliches Herz lebend fassen kann. So würde ich dem Jungen jetzt antworten und sagen: „Ich würde Gott auch gerne sehen. Es kann aber nicht sein. Für dich und für mich ist es besser, wenn nur wir etwas von ihm wahrnehmen und nicht als Ganzen. Den Rest behält er besser bei sich verborgen.“

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