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Rosen schneiden
Bild: Jaques GAIMARD/Pixabay

Rosen schneiden

Kurt Grützner
Ein Beitrag von Kurt Grützner, Evangelischer Pfarrer i. R., Kassel
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Eine beliebte Karikatur über einen Pfarrer ist diese: Sonntags auf der Kanzel und den Rest der Woche: Rosen schneiden im Pfarrgarten.

Einen Pfarrgarten habe ich nicht, aber einen Rosenstock auf dem Balkon. Im ersten Jahr war es leicht mit meinem Rosenstock. Bald schon die volle Blütenpracht. Bis zum Herbst. Ich packe meinen Rosenstock winterfest ein und hoffe, dass er im Frühling zu neuem Leben erwacht.

Er tut es. Junge Triebe an allen Ecken und Enden. Er schießt sozusagen ins Kraut. Allerdings nur drei Knospen. Beschneiden rät mir der Gartenfreund im Internet. Ziemlich kurz sogar. Ich setze also die Schere an und bekomme ein mulmiges Gefühl: "Darf ich wirklich Lebendiges abschneiden, damit anderes besser wachsen kann, um Blüten zu bringen?"

Ich merke, dass ich die Frage nicht für alle Lebenslagen gleich beantworten kann. In der Corona Zeit haben wir uns aus gutem Grund dagegen entschieden: Besonders Gefährdete werden geschützt. Wir können nicht Menschenleben gegen Menschleben aufrechnen.

Betrachte ich aber sonst so mein Leben: Immer, wenn es mir gelungen ist, etwas Lebenshinderliches loszulassen, habe ich neue Wege gefunden. Alte Muster loslassen, die mit meiner Gegenwart nichts mehr zu tun haben. Das befreit mich. Auch die, mit denen ich jetzt verbunden bin. Manchmal musste ich auch Freunde loslassen.

Und wer schon mal umgezogen ist kennt die schwierige Frage: Kommt das jetzt endlich weg, oder nehme ich es mit?

Goethe schreibt in seinem Gedicht "Selige Sehnsucht" über dieses Loslassen, das neues Leben bringt: "Und so lang du das nicht hast, Dieses: Stirb und werde! Bist du nur ein trüber Gast auf der dunklen Erde."

Mutig habe ich meinen Rosenstock beschnitten.

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