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Ostern ist Auferstehung
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Ostern ist Auferstehung

Dr. Dr. h.c. Volker Jung
Ein Beitrag von Dr. Dr. h.c. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt
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Wir feiern Ostern! Wir feiern das Fest des neuen Lebens. Die wunderbare Erfahrung, dass trotz Schmerz und Leid und Tod das Leben siegt. Wir blicken auf den auferstandenen Christus. Und wir hoffen, und wir sehnen uns danach, dass auch für uns nach Angst und Leid das Leben gewinnt.

Diese Sehnsucht ist in diesem Jahr und an diesem Osterfest besonders stark.

Das Corona-Virus hat das Leben von so vielen völlig durcheinandergebracht. Da gibt es viel Anspannung und auch Angst. Wir denken an die Kranken und Sterbenden. An die älteren und besonders gefährdeten Menschen. Auch an die, die sich um ihre wirtschaftliche Existenz große Sorgen machen: in den Betrieben und als Selbständige.

Ostern ist das Fest des Sieges über den Tod

Dennoch. Heute ist Ostern. Heute erklingt in all dem die alte Botschaft von Ostern. Ostern ist das Fest des Sieges über den Tod. Es ist das Fest des Lebens. Christinnen und Christen in aller Welt feiern, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist. Überall erklingt der uralte Ostergruß: „Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.“ Die Botschaft heißt: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Es gibt auch Leben über den Tod hinaus.

Heute, am Ostersonntag, rede ich über das Leben – über das Leben vor dem Tod und nach dem Tod. Ja, ich rede, über beides – und darüber, was das eine mit dem anderen zu tun hat.

Musik

Gibt es ein Leben nach dem Tod?

Vor vielen Jahren hatte ich einen Nachbarn. Er war ein alter Mann, den die Frage immer wieder beschäftigte, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. In einem unserer Gespräche sagte er einen Satz, den ich nicht mehr vergessen habe. Er sagte: „Herr Pfarrer, ich weiß nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Ich glaube es auch nicht, aber ich lasse mich gerne überraschen."

Einer, der Jesus verfolgte wurde überrascht

Überrascht wurde auf jeden Fall ein Mann, der viele Gedanken dazu aufgeschrieben hat, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Dieser Mann ist der Apostel Paulus. Er wurde überrascht, weil ihm der auferstandene Jesus erschienen ist. Zuvor waren sich Jesus und Paulus nie begegnet. Paulus gehörte auch nicht zu dem Kreis der Jüngerinnen und Jünger, die nach dem Tod und der Auferstehung von Jesus zusammenblieben. Im Gegenteil: Er war sogar einer, der sie verfolgte.

Saulus wird zu Paulus

Dann kam der Moment, der sein Leben veränderte. Auf dem Weg nach Damaskus erscheint dem Paulus, der bis dahin noch Saulus hieß, plötzlich der auferstandene Jesus. Der fragt ihn: „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ Saulus kann daraufhin drei Tage nicht sehen. Er isst nicht und trinkt nicht. Durch dieses Erlebnis kehrt er um. Er lässt sich taufen und nimmt als äußeres Zeichen seines neuen Lebens den Namen Paulus an.

Intensiv setzt er sich mit dem auseinander, was er da erlebt hatte und was ihm andere über Jesus erzählten. Das alles hat ihn zutiefst beeindruckt und geprägt. Später reiht er sich selbst ein in die Reihe der Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung Jesu. Für ihn und die anderen Frauen und Männer, die Jesus gekannt hatten und ihm nachfolgten, rückt das in das Zentrum seines Glaubens: Jesus ist von den Toten auferstanden! Paulus geht sogar so weit zu sagen: alle Predigt und der Glaube sind vergeblich, wenn Christus nicht von den Toten auferweckt worden wäre.

Der Tod am Kreuz war nicht das Ende

Die ersten Christinnen und Christen waren berührt und bewegt, dass sie erfahren haben: Der gewaltsame und grausame Tod am Kreuz war nicht das Ende. Gott hat Jesus nicht im Tod gelassen. Jesus ist auch nicht einfach wiederbelebt worden und in dieses Leben zurückgekehrt. Nach dem Tod hat etwas Neues begonnen.

Der Glaube an die Auferstehung ist eine Provokation für unser Denken

Heute können wir sagen: Wären Paulus und viele andere dem auferstandenen Jesus nicht begegnet, gäbe es heute keinen christlichen Glauben. Der Glaube an die Auferstehung gehört zu den Fundamenten der christlichen Hoffnung. Zugleich ist er eine große Provokation für unser Denken. Denn der Glaube an die Auferstehung steht gegen jede Erfahrung.

Musik

Ohne den Glauben der ersten Christen wäre Jesus in Vergessenheit geraten

Jesus ist von den Toten auferstanden. Gott hat ihn zu einem neuen Leben auferweckt. Dieser Glaube hat die ersten Christinnen und Christen geprägt und bestimmt. Ohne diesen Glauben wäre die Erinnerung an Jesus von Nazareth vermutlich im Lauf der Jahrhunderte verblasst. Seine Taten, Gedanken und Worte wären wohl in Vergessenheit geraten.

Fragen und Zweifel gab es von Anfang an

Aber mit dem Glauben an die Auferstehung waren von Anfang auch Fragen und Zweifel verbunden: Wie kann das gehen? Was bedeutet das? Wie wird es sein nach dem Tod? Schnell war deutlich: Darauf gibt es keine einfache Antwort. Es gibt keine Informationen darüber, die klipp und klar sagen: So und so wird es sein.

Nach dem Tod kommt etwas anderes als das Leben hier

Es gibt nur Menschen, die eine Ahnung davon bekommen haben. Sie haben dann versucht, diese Ahnung zu begreifen und dafür angemessene Worte zu finden. Einer von ihnen ist Paulus. Er hat intensiv nach Gedanken und Bildern gesucht, um zu beschreiben, was der Glaube an die Auferstehung für jeden einzelnen Menschen bedeutet. Dabei spielt natürlich eine große Rolle, was er selbst erlebt hat, nämlich dass ihm der auferstandene Jesus erschienen ist. Besonders wichtig war für ihn zu erkennen: Nach dem Tod kommt etwas anderes als das Leben hier. Er beschreibt es mit diesen Worten:

„Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Schwachheit und wird auferstehen in Kraft. Es wir gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib.“ (1. Korinther 15,42-44)

Gott sorgt für Gerechtigkeit

In meinen Worten gesagt: Nach dem Tod schenkt Gott ein neues Leben. Das Leben ist nicht so wie das Leben hier: es wird nicht vergehen, es wird kein Leben sein, das hinfällig ist, das bedroht ist von Krankheit, Schmerzen und Tod. Es wird ein Leben sein, das nicht durch Gewalt zerstört und vernichtet werden kann. Das bedeutet auch: Gott sorgt für Gerechtigkeit. Wir können nicht sagen, wie Gott dies tut. Doch Gott setzt die Opfer ins Recht. Er setzt sie ins Recht so wie Gott Jesus ins Recht gesetzt hat. Jesus wurde Opfer menschlicher Gewalt. Gott hat ihn aus dem Tod herausgeholt und hat ihn erhöht in einem neuen Leben.

Gott schenkt ein neues Leben

Dass Gott neues Leben schenkt, heißt aber auch: es ist wirklich neues Leben. Damit wird nicht einfach dieses Leben wiederbelebt und ins Unendliche verlängert. Das ist für mich auch kein schöner Gedanke. Immer und immer leben, ohne Ende. Diese Vorstellung ist irgendwie langweilig. Oder sogar schrecklich.

„Es wird ein neuer geistlicher Leib sein“

Doch was und wie das wirklich neue Leben ist, das sprengt alle Vorstellungskraft, denn es ist ein Leben jenseits von Raum und Zeit. Deshalb kann niemand, der sich über das ewige Leben nach dem Tod Gedanken macht, über das Stammeln und Ahnungen hinauskommen. Auch Paulus geht das so. Aber er hält daran fest: Das Leben wird sich nicht einfach auflösen. Es wird auch nicht in einem großen Dunkel verschwinden. Paulus kann es nicht besser sagen als mit den Worten: „Es wird ein neuer geistlicher Leib sein“.

Die Seele ist unsterblich

Das bedeutet: Menschen bleiben erkennbar. Das Leben in seiner persönlichen Würde ist nicht einfach verschwunden. Es bleibt aufgehoben bei Gott. In diesem Sinn heißt es in der christlichen Tradition: Die Seele ist unsterblich. Sie ist nicht unsterblich, weil es irgendetwas im Menschen gäbe, das den Tod überdauert. Sie ist es, weil Gott dem unverwechselbaren Menschen einen neuen geistlichen Leib gibt.

Was das bedeutet für mich und mein Leben, darüber werde ich nach der Musik sprechen.

Musik

Gott liebt das Leben und nicht den Tod

„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Diese große Botschaft des Ostermorgens hat Menschen immer wieder vor die Frage gestellt: Was bedeutet dies für mich und mein Leben? Paulus hat mit allem, was er gesagt und geschrieben hat, deutlich gemacht: Der Tod wird in keinem Leben das letzte Wort haben. Das Leben ist Geschenk aus Gottes Hand und es kehrt zurück zu Gott. Und Gott liebt das Leben und nicht den Tod. Gott ist ein Gott des Lebens. Das klingt schön – tröstlich und hoffnungsvoll.

Das Leben nach dem Tod bleibt Gottes Geheimnis

Aber was heißt das konkret? Mit dieser Frage stoße ich an die Grenzen menschlichen Denkens und Verstehens. Und ich begegne dem Geheimnis des Lebens. So wie Gott das Geheimnis dieser Welt ist, so bleibt das Leben nach dem Tod Gottes Geheimnis für uns. Dazu gehören immer Fragen und Zweifel. Wie es sein wird, können wir nicht mit unseren Gedanken denken und unseren Worten beschreiben.

Dass Gottes Kraft zum Leben stärker ist als der Tod, können wir nur hoffen und glauben. Jesus Christus hat diese Hoffnung gelebt und im wahrsten Sinn des Wortes verkörpert – mit seinem Leben, mit seinem Tod und mit seiner Auferstehung.

Die Hoffnung auf ein Leben nach dem Todes ist manchmal das Letzte was bleibt

Viele Beispiele zeigen: Wer so glaubt, findet in diesem Leben Kraft, Schweres zu ertragen. Es gibt Situationen, die so schlimm und ausweglos sind, da bleibt das die einzige Hoffnung. Jesus selbst hat dies so erlebt. Als er hilflos und sterbend am Kreuz hängt, sagt er: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ So ist die Hoffnung auf ein Leben jenseits des Todes manchmal das Letzte was bleibt – in einer Krankheit, die den Tod bringt, und in großer Bedrängnis.

Ist die Auferstehungshoffnung nur eine Vertröstung auf das Jenseite?

Gerade das ist dem Christentum allerdings immer wieder vorgeworfen worden: „Mit eurer Auferstehungshoffnung vertröstet ihr die Leute auf ein ungewisses Jenseits. Damit hindert ihr sie daran, für ein besseres Leben hier und heute zu kämpfen.“ Ich erlebe das ganz anders. Für mich gehört die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und das Leben vor dem Tod untrennbar zusammen. Mein Glaube an die Auferstehung gibt mir Hoffnung und Energie für das Leben hier. Dabei geht es mir so, wie es Paulus und vielen anderen nach ihm ging: Es ist schwer, dafür passende Worte zu finden. Worte, die dieses tiefe Geheimnis des Lebens angemessen beschreiben. Das Geheimnis des Lebens wird immer Geheimnis bleiben, solange wir in diesem Leben sind. Diesem Geheimnis kann ich mich nur annähern.

Der Corona-Albtraum in einer Klinik in der Lombardei

Mich hat in diesen Tagen sehr bewegt, was ein junger Arzt aus Italien erzählt, der in einer Klinik in der Lombardei Corona-Patientinnen und -Patienten behandelt. Er redet von einem Albtraum, den er erlebt hat. Erst kamen wenige Infizierte, dann immer mehr, bis er und seine Kolleginnen und Kollegen gar nicht mehr alle behandeln konnten. Unter den Kranken war ein Priester.

Der Arzt erzählt: Der Priester hat ihn beeindruckt, indem er anderen Kranken aus der Bibel vorlas und Sterbenden die Hand hielt. Er hat damit einen besonderen Frieden gebracht. Mittlerweile ist der Priester verstorben. Der junge Arzt sagt, er selbst hat durch den Priester den Glauben an Gott wiederentdeckt. Der Arzt sagt: „Ich bin froh, Gott wieder gefunden zu haben, während ich vom Leiden und Tod meiner Mitmenschen umgeben bin.“

Die Hoffnung, die über denTod hinausgeht, gibt Kraft im Jetzt zu handeln

Damit sagt er: Im Glauben an Gott öffnet sich ein Hoffnung, die über den Tod hinausgeht. Aber diese Hoffnung führt nicht dazu, in diesem Leben aufzugeben oder die Hände in den Schoß zu legen. Nein,  dieser Glaube gibt Kraft, jetzt zu handeln, jetzt nicht zu verzweifeln, sondern für die Menschen da zu sein, die Hilfe brauchen.

Dass der Glaube, der über den Tod hinausschaut, Kraft gibt, zeigen auch die jungen Eltern, die mich vor einigen Jahren ebenfalls sehr beeindruckt haben. Eines ihrer Kinder ist im Alter von zwei Jahren gestorben. Es könnte noch am Leben sein, wenn die Besatzung des Rettungswagens besser gewusst hätte, was in diesem Notfall zu tun ist. Es war eine furchtbare Zeit für die Eltern und die ganze Familie. Sie haben gehadert, geweint, waren zornig – und verzweifelt.

Anderen helfen, trotz der eigenen Trauer

Die Trauer war sehr groß. Der 5jährigen Tochter sagen sie: Dein Bruder ist jetzt ein Engel. So sagt man das Schwere einem Kind. Aber wenn sie miteinander reden, klingt das ähnlich: „Ein Engel? Wir glauben, er ist wirklich bei Gott, eben wie ein Engel. Und er sieht uns. Und wenn wir ihn hören könnten, würde er sagen: Mir geht es gut. Kümmert euch um die Kinder, die leben!“ Und die Eltern tun sich zusammen mit anderen, gründen einen Verein, sammeln Gelder und sorgen dafür, dass das Team eines Rettungswagens lernt, mit solchen und ähnlichen Notfällen umzugehen. Sie kümmern sie um die Kinder, die leben. Weiter leben. Ja, der Glaube an ein Leben nach dem Tod gibt Kraft für das Leben hier und jetzt.

Das Osterfest lädt ein, sich Gott anzuvertrauen und Kraft zu schöpfen auch in diesen Krisenzeiten

Ostern ist die Botschaft vom Sieg des Lebens. Gott hat Jesus Christus nicht im Tod gelassen. Gottes Kraft und Gottes Liebe sind stärker als die Todesmächte in dieser Welt. Das Osterfest lädt ein, sich der Liebe Gottes anzuvertrauen im Leben und im Sterben. Sich Gott anvertrauen – das gibt Kraft, Spannungen auszuhalten, Angst nicht übermächtig werden zu lassen und hoffnungsvoll nach vorne zu schauen.

All das brauchen wir jetzt. Ich denke an diejenigen, die krank sind, besonders an die Menschen, die um ihr Leben kämpfen. Und an die, die helfen und dabei sich selbst und ihr Leben einsetzen. Ich denke an Menschen, die allein sind in ihren Wohnungen und fürchten, immer einsamer zu werden. Und an alle, die angespannt sind, weil sie Druck spüren in den Familien oder in ihrer wirtschaftlichen Not. Ich denke an Menschen auf der Flucht und Menschen in tiefer Not. Gott schenke Hilfe, Gott gebe Kraft, Gott führe zum Leben.

4. Musik

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