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„Lass dir nichts gefallen!“
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„Lass dir nichts gefallen!“

Winfried Engel
Ein Beitrag von Winfried Engel, Katholischer Ltd. Schulamtsdirektor i. K. i. R., Fulda

„Lass dir nur nichts gefallen! Du musst dich wehren!“ hörte ich kürzlich eine Mutter zu ihrem Sohn sagen. Ich wollte nur meinen Enkel von der Schule abholen und hatte nicht mitbekommen, was dieser Aussage vorangegangen war. Vermutlich hatte es Streit mit Mitschülern gegeben, vielleicht sogar eine handgreifliche Auseinandersetzung. Und was rät die Mutter? „Lass dir nichts gefallen, schlag zurück, zahle es dem Anderen heim.“ Ob sie schon einmal darüber nachgedacht hat, wozu sie eigentlich rät? Ganz sicher hat sie nicht bedacht, wie es weiter gehen würde. Auch die andere Mutter würde wohl ihrem Sohn raten, sich zu wehren. Und das hätte neue Gewalt zur Folge und so immer weiter. Eigentlich müsste die menschliche Vernunft einsehen können, dass Gewalt noch nie Probleme gelöst, sondern allenfalls zeitweise unterdrückt hat, damit sie dann um so heftiger wieder auftreten. Doch was wäre eine Alternative? 

Der Blick in das Neue Testament der Bibel führt zu einem vielleicht überraschenden Ergebnis. Jesus sagt: „Ihr habt gehört, das gesagt worden ist: Auge um Auge und Zahn um Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.“ (Mt 5,38 - 41) Nicht nur, dass Jesus verlangt, auf Gewalttätigkeiten nicht zu reagieren, er rät sogar, dem Schläger auch die andere Wange hinzuhalten. Das kann eigentlich nur noch verblüffen, damit rechnet niemand. Das ist aber gerade der entscheidende Punkt. Jesus lässt mit seiner Forderung die Gewaltanwendung geradezu ins Leere laufen. Vielleicht ist damit die Gewaltspirale schon zu Ende, ehe sie beginnt. Ein allgemeines Rezept gegen Gewalt ist das sicher nicht. Eher eine Vision! Aber sollte man es nicht trotzdem in den kleinen Streitigkeiten des Alltags einmal ausprobieren? 

 

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