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Jakob, der Filipino
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Jakob, der Filipino

Martin Vorländer
Ein Beitrag von Martin Vorländer, Evangelischer Pfarrer und Senderbeauftragter für den DLF, Frankfurt

Zwei Eisblöcke. Hüfthoch in der prallen Sonne auf dem Pooldeck eines Kreuzfahrtschiffs. Die Kinder springen drumherum, halten ihre Hände auf die kalte, glatte Oberfläche, probieren aus, ob sie durch den Eisblock hindurch sehen können. Dann kommt Jakob mit seinem Werkzeugkasten. Jakob heißt eigentlich Jayke und kommt von den Philippinen.

Bei dem Namen Jayke müssen die deutschen Passagiere auf dem Schiff oft mehrmals nachfragen, um ihn zu verstehen. Darum nennt sich Jayke einfach Jakob. Normalerweise ist er kaum zu sehen. Sein Bereich ist der Zimmerservice. Er macht die Betten, putzt die Kabine und das Bad, wenn die Passagiere an Deck oder auf Landausflug sind.

Heute aber hat Jakob seinen Auftritt am Pool. Er packt sein Werkzeug aus und bearbeitet die beiden Eisblöcke. Er hämmert und schnitzt. Eisstückchen fallen auf den Boden und schmelzen in der Sonne. Aber die beiden Blöcke nehmen Gestalt an. Der eine wird ein stolzer Indianerkopf, ganz aus Eis. Der andere ein großer Südsee-Fisch mit Kulleraugen. Die Kinder staunen. Sie betasten das Profil des Indianers und die Schwanzflosse des Fisches. Auf dem schmelzenden Eis um die Skulpturen veranstalten sie Rutschspiele.

Jakob packt sein Werkzeug wieder in den Koffer. Er hat selber Kinder. Sie leben bei seiner Frau auf den Philippinen. Er sieht sie zweimal im Jahr, wenn es hoch kommt. Den Rest der Zeit arbeitet er auf dem Kreuzfahrtschiff und verdient den Lebensunterhalt für seine Familie. Das ist doch hart, so lange getrennt von Frau und Kindern zu sein. Jakob lächelt: „Ich weiß doch, dass ich es für sie tue.“

Er will das Pooldeck schon verlassen. Unauffällig, wie er es vom Zimmerservice gewohnt ist. Da erwarten auch alle von ihm Perfektion, aber kaum jemand lobt ihn. So scheint es auch heute Nachmittag zu sein. Die Zuschauer zerstreuen sich und wenden sich wieder ihren Drinks zu. Da ruft ein Junge: „Das war echt cool!“ Alle Kinder klatschen. Jakob strahlt. Und das Eis ist gebrochen.

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