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Gendern als Chance
Bild: Jaeger

Gendern als Chance

Verena Maria Kitz
Ein Beitrag von Verena Maria Kitz, Katholische Pastoralreferentin in St. Michael, Zentrum für Trauerseelsorge, Frankfurt
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Wieder mal habe ich in der Zeitung eine Zuschrift gelesen, in der sich jemand über das „unsägliche“ Gendern in den Nachrichten aufregt hat. Es sei unerträglich, Wortungetüme wie „Lehrer:innen“ oder Polizist:innen“ anzuhören.

Noch ein bisschen ungewohnt

Ja, sie ist immer noch ein bisschen ungewohnt, diese kurze Pause mitten im Wort, die markiert: Hier sind verschiedene Geschlechter gemeint, die ein Mensch mit der Aufgabe des Lehrens oder des Hütens der öffentlichen Ordnung haben kann. Es sind eben nicht nur Männer. Es sind auch Frauen und auch Menschen, die spüren: Das Geschlecht, das ihnen bei ihrer Geburt zugeordnet wurde, das passt nicht zu ihrer Person. Einige aus der Sprachwissenschaft argumentieren dann, dass es in der Grammatik nicht um Geschlechterfragen geht. 

Menschen werden in der Sprache sichtbar

Ja. Aber – und jetzt kommt mein dickes Aber: Ich spüre, wie sehr die Sprache auch Spiegel unseres Bewusstseins ist und wie sie das Bewusstsein zugleich prägt. Und da kann ich dem Gendern viel abgewinnen, auch wenn ich es selber nicht immer konsequent durchziehe. Ich finde es einen Fortschritt, wenn Menschen in der Sprache sichtbar werden und hörbar, als die, die sie sind.

Nennt uns nicht „Brüder“

Für mich als katholische Theologin ist das schon lange ein Thema – vor über 30 Jahren erschien ein Buch: „Nennt uns nicht Brüder“. In vielen Übersetzungen der Bibel war lange nur von „Brüdern“ oder „Söhnen“ die Rede, wenn es um die ging, die mit Jesus von Nazareth unterwegs waren oder zu den späteren Gemeinden gehörten. Als ich dann das erste Mal im Gottesdienst die Übersetzung hörte: Ihr seid Söhne und Töchter Gottes, war das für mich wie ein Revolution. Ich habe gespürt: Ich bin wirklich gemeint.

Als Geschöpfe Gottes sind wir alle von Gott geliebt

Mittlerweile ist die Entwicklung weitergegangen, und es wird deutlich: Das reicht noch nicht – es kommen nicht alle Menschen eindeutig als Männer oder Frauen auf die Welt, und das darf in der Sprache hörbar werden. Denn ich bin fest davon überzeugt: Als Geschöpfe Gottes sind wir alle von Gott geliebt und gewollt, in unserer Verschiedenheit. Wie gut, wenn wir lernen, das auch in unserer Sprache auszudrücken.

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