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Geh doch ruhig mal in die Kirche!
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Geh doch ruhig mal in die Kirche!

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen
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Ein guter Bekannter begrüßt mich mit den Worten: „Ich hab was ganz Verrücktes gemacht. Du wirst es nicht glauben.“ Er lebt in Frankfurt und hat einen anstrengenden Job. Topmanager, in normalen Zeiten viel unterwegs: kurz in Zürich, dann Basel, Berlin, Amsterdam. Einbrechende Verkaufsmärkte, fehlende Facharbeiter, ausbleibende Zulieferungen, Kritik der Kunden.

Viel Druck, viel Stress

Viel Druck, viel Stress. Er sagt: „Ich weiß nicht, was ich noch machen soll. Ich war irgendwie zerrissen.“ Und dann stand auch noch das Wochenende bevor – die Familie, die immer zu kurz kommt. „Weißt du, was ich dann gemacht habe? Ich bin in eine Kirche gegangen.“

"Ich bin einfach in die Kirche gegangen"

Das hat mich überrascht. Ich wusste, dass er von der Kirche nichts hält. Nun war er in einer? Das kam so. Er ist Sonntagfrüh durch Frankfurt gegangen. Die Nacht hatte er schlecht geschlafen. Zu viele Gedanken aus der zurückliegenden Woche hatten ihn nicht zur Ruhe kommen lassen. Er kam sich vor wie ein zerrissenes Hemd, an dem alle zerren. Da fingen die Glocken einer Kirche an zu läuten. „Ich bin einfach in die Kirche gegangen“, hat er erzählt. „Dem Pfarrer, der da geredet hat, habe ich nicht zugehört.“ Auch die Lieder, die die Leute gesungen haben,  waren ihm egal; die kannte er sowieso nicht.

Bunte Kirchenfenster, Orgelmusik und brennende Kerzen

Doch er hat die Sonne gesehen, die durch die bunten Kirchenfenster schien. Er hat die Orgelmusik gehört. Die war schön. Er hat die brennenden Kerzen auf dem Altar und den Blumenstrauß gesehen. Ab und zu hat er auf die Menschen geschaut, die in der Kirche zum Gottesdienst waren.

Wieder Mensch sein

Zum Schluss kam wie in jedem Gottesdienst der Segen: „Gott segne dich und behüte dich…“ „Weißt du“, hat mein Bekannter zu mir gesagt. „Als ich aus der Kirche raus auf die Straße kam, hatte ich das Gefühl, wieder ein Mensch zu sein und nicht nur ein Opfer der Verhältnisse.“

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