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Barmherzigkeit – heute noch zeitgemäß?
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Barmherzigkeit – heute noch zeitgemäß?

Winfried Engel
Ein Beitrag von Winfried Engel, Katholischer Ltd. Schulamtsdirektor i. K. i. R., Fulda
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„Barmherzige Schwestern“, so werden sie genannt, die Mitglieder des Ordens der Vinzentinerinnen. Doch viele empfinden diese Bezeichnung als antiquiert. „Barmherzig“, was soll das sein? Es gibt tatsächlich Wörter in unserer Sprache, die scheinen aus der Mode gekommen zu sein. „Barmherzig“ und „Barmherzigkeit“ gehören wohl dazu. Sie sind eine Übersetzung des lateinischen Wortes „misericordia“. Darin stecken die beiden Wörter „erbarmen“ und „Herz“. In diesem Sinn bedeutet „barmherzig sein“ sich mit dem Herzen zuwenden, sich ganz auf den anderen einlassen, nicht oberflächlich oder nur äußerlich, sondern mit innerer Beteiligung.

Aus unserem Sprachgebrauch ist das Wort barmherzig weitgehend verschwunden. Niemand käme auf die Idee, wenn er einem anderen geholfen hat, zu sagen: Ich bin barmherzig gewesen oder ich habe Barmherzigkeit geübt. Hier ist aber die Frage erlaubt, ob nicht mit dem Verschwinden des Wortes auch etwas von dem verloren gegangen ist, was es selbst ausdrückt. Hilfeleistungen werden heute von Institutionen erbracht, ein ganzer Wirtschaftszweig lebt davon. Die Pflege von alten und kranken Menschen kann, ja muss heute eingekauft werden. Die einzelnen Handgriffe oder Tätigkeiten werden mit der Stoppuhr gemessen und genau bewertet. Diese Bewertung ist die Grundlage für die Abrechnung. Die Menschen, die in solchen Unternehmen arbeiten, stehen unter dem Druck dieser Vorgaben. Damit will ich den persönlichen Einsatz dieser Frauen und Männer in keiner Weise schmälern; ich bin überzeugt, dass man diesen Beruf nur mit besonderem Engagement ausüben kann! Dennoch: Ist hier überhaupt noch Raum für „Barmherzigkeit“? Schaffen die genannten Fakten nicht Bedingungen, unter denen „Barmherzigkeit“ erstickt wird? – Ich bin dafür, „Barmherzigkeit“ wieder neu zu entdecken und ihr im Alltag Raum zu geben!

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