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Das Leben leicht nehmen – oder sich selbst nicht so ernst
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Das Leben leicht nehmen – oder sich selbst nicht so ernst

Stephanie Rieth
Ein Beitrag von Stephanie Rieth, Bevollmächtigte des Generalvikars und Dezernentin im Bistum Mainz

Ich freu mich auf heute – schon seit Tagen. Nach dem Mittagessen schlüpfen wir in unsere Kostüme, meine Familie und ich. Als Einhorn, Indianer und Clown oder wenigstens mit dem vierfarbbunten Schal verkleidet, werden wir Hessen verlassen, über die Brücke nach Mainz rüber spazieren und uns dort auf der Ludwigsstraße die großen Wagen anschauen. Heute am Fastnachtsonntag stehen da die Motivwagen, die morgen beim Rosenmontagszug durch Mainz rollen an hunderttausenden Menschen vorbei.

Die Motive sind streng geheim bis kurz vor dem Höhepunkt der Kampagne. Wer da wieder auf die Schippe oder auf den Wagen genommen wird oder über was man sich lustig macht oder den Kopf schüttelt, das entsteht das Jahr über in den Wagenhallen der großen Fastnachtsvereine.

Politiker aus Welt und Region, Skandale und Skandälchen – zur Fastnacht darf darüber gelacht werden, soll sogar darüber gelacht werden, weil sowas befreit. Einmal im Jahr geht’s darum, mal nicht alles so ernst zu nehmen und die Sorgen mal hinten anzustellen – auch die ganz eigenen. Und weil die Mainzer Fassenacht möglichst politisch aktuell sein will, kann das für die Wagenbauer zum Schluss hin richtig stressig werden.

Aber die Zuschauer können es dann genießen und sich dran freuen. Und ich finde es klasse, heute am Fastnachtssonntag die Wagen zum ersten Mal zu sehen und so richtig nah dran zu kommen. Ich kann zwischen ihnen hindurchspazieren, treffe den ein oder anderen Bekannten, man grüßt sich mit Helau und stärkt sich mit einer Runde Kreppel.

Und wenn das Wetter dann noch einigermaßen mitspielt, tut das richtig gut.

Aber natürlich weiß ich, dass auch die Hessen richtig Fastnacht feiern können. Auch Kassel, Gießen, Frankfurt, Dieburg und sogar die Wiesbadener haben tolle Umzüge.

Die fünfte Jahreszeit nennen das die Närrinnen und Narren, und ich liebe diese Unterbrechung einmal im Jahr. Es ist einfach toll, sich mitreißen zu lassen von Fröhlichkeit mit ein wenig Ausgelassenheit, von Leichtigkeit mit ein wenig Blödsinn. All das hilft mir dabei, das Leben für einen Moment einfach mal leicht zu nehmen und mich selbst nicht immer so ernst zu nehmen.

In Mainz machen da auch fast alle Arbeitgeber und natürlich die Schulen mit – und meine Arbeitgeberin, die Kirche, sowieso, denn Fastnacht und Kirche: das passt zueinander.

Fastnacht und Kirche – die gehören in diesen Tagen zusammen. Und nicht nur, weil die Fastenzeit, die am Aschermittwoch beginnt, der Fastnacht ihren Namen gibt.

Der Wechsel der Zeiten, der Jahreszeiten und der dazugehörigen Feste, das tut mir gut. Und die Kirche, die hat diese Wechsel im Blick, die hat im Blick, was dem Menschen gut tut. Sie hat im Blick, was dem Menschen von Gott her gut tut. Viele große und kleine Feste im Kirchenjahr antworten auf die großen und kleinen Sehnsüchte der Menschen.

So ist Weihnachten die Antwort auf die Sehnsucht der Menschen nach der Nähe Gottes. Ostern feiert die Auferstehung als Sieg über die Angst vor dem Tod. An Erntedank steht unser menschliches Tun und die große Güte Gottes im Mittelpunkt, bevor wir an Allerheiligen und Allerseelen an unser Ende denken und unsere Zukunft bei Gott.

All diese Feste, die großen und die kleinen, sind Zäsuren im Alltag, und sie laden uns gleichzeitig ein, etwas von ihrer Botschaft mit zurück zu nehmen in unseren Alltag.

Ich mache zum Beispiel an Fastnacht die gute Erfahrung, gemeinsam mit meiner Familie ausgelassen und fröhlich zu sein, ohne dass irgendjemand schräg schaut.

Diese unbelasteten Momente tun uns einfach gut und wir zehren noch eine ganze Weile davon.

Ich finde es wunderbar, mich jetzt an Fastnacht mal nicht von meinen Sorgen bestimmen zu lassen. Ich lasse die Probleme, die meinen Alltag bestimmen, für ein paar Stunden beiseite. Das geht nicht immer auf Knopfdruck, das braucht Gelassenheit, aber das kann ich auch lernen und einüben.

Papst Johannes XXIII. war so einer, der das offensichtlich ganz gut konnte. Es gibt da eine ganz bekannte Anekdote von ihm. Als er Papst wurde, hat ihm die Würde und die Last dieses Amtes oft den Schlaf geraubt. Eines Nachts träumte er von einem Engel, der zu ihm sagte: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig!“ Das hat er sich zu Herzen genommen und konnte von da an wieder besser schlafen.

Ganz in diesem Sinne hat Johannes XXIII. als geistliche Übung zehn Gebote der Gelassenheit verfasst. Sie gefallen mir fast noch besser als die nette Anekdote, weil dieser kluge Papst wohl wusste, dass eine solche Haltung der Gelassenheit Übung braucht.

Da heißt es zum Beispiel: „Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen!“

So lautet die erste der zehn Regeln. Und das letzte dieser Gebote heißt: „Nur für heute will ich keine Angst haben. Ganz besonders nicht davor, mich an allem zu freuen, was schön ist – und an die Liebe zu glauben.“

Es geht also nicht nur darum, von den Sorgen im Leben wegzusehen, sondern den Blick auf das Schöne zu lenken, auf die Liebe, die mir im Leben geschenkt wird. Ein Wechsel der Perspektive eben, der aber manchmal ganz schön viel bewirkt.

Für mich ist die Fastnachtzeit eine Einladung zu einem solchen Perspektivwechsel, der ich mit Freude nachkomme.

Die Perspektive wechseln, von den Problemen des Lebens absehen und das Schöne in den Blick nehmen. Das funktioniert besonders gut in der Fastnachtszeit und in Mainz ganz besonders, daran kommt man auch in einem Vorort von Mainz auf der hessischen Seite nicht vorbei.

Es ist schön, bei der Straßenfastnacht mit der Familie unterwegs zu sein und vielen Menschen zu begegnen, die sich auch gerade nicht so ernst und wichtig nehmen.

Ich erinnere mich dabei auch immer gerne an die Menschen, die mir das vorgelebt haben.

Ich komme aus einem kleinen Dorf an der Mittelmosel, und natürlich feiert man auch da die fünfte Jahreszeit. Eine meiner ersten Kindheitserinnerungen an Fastnacht ist ein Bild von meiner Oma. Sie lag im Nachthemd und mit einer Schlafmütze auf dem Kopf in einem großen Bett, das auf einem Anhänger von einem Traktor durch das Dorf gefahren wurde, in dem wir wohnten. Der Witz dahinter war ein Insider, den habe ich erst viel später verstanden. Aber das war mir egal. Ich fand das klasse, dass meine Oma sich das getraut hat und dass sie mit all den anderen Leuten über sich selbst lachen konnte.

Auch mein Vater ist so einer, der das früher unglaublich gerne gemacht hat: sich selbst nicht so wichtig nehmen, sich zum Narren machen und damit anderen eine Brücke bauen zu mehr Gelassenheit und Freude im Leben.

In diesem Sinne: Lassen Sie sich anstecken und wechseln Sie die Perspektive – für einen Moment oder für ein paar Stunden. Weg von den Sorgen mit Blick auf das Schöne und die Freude im Leben. Helau!

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