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"Letzte Lieder - und die Welt steht still"

"Letzte Lieder - und die Welt steht still"

Rüdiger Kohl
Ein Beitrag von Rüdiger Kohl, Evangelischer Pfarrer, Frankfurt-Bockenheim

Heute steht für den Künstler Stefan Weiller wieder ein Besuch in einem Hospiz an. Er besucht Monika Schäfer, ich nenne sie so. Sie ist Anfang sechzig und leidet an einer unheilbaren Krankheit. In einem Hospiz in Frankfurt verbringt sie ihre letzten Lebenswochen. Heute ist sie ist voll gespannter Erwartung, sie freut sich, Stefan Weiller zu begegnen. Sie hat ihn eingeladen, weil sie sich an seinem Kunstprojekt beteiligen möchte. Es heißt: „Und die Welt steht still – Letzte Lieder.“ Dazu besucht Stefan Weiller sterbende Menschen und fragt sie: „Welche Musik ist Ihnen kostbar, und welche Erinnerung verbinden Sie damit?“

Mittlerweile hat Stefan Weiller schon fast siebzig Menschen in ganz Deutschland interviewt. Sie waren von Ende zwanzig bis über 90 Jahre alt. Über die Musik kommt er mit ihnen über ihr Leben ins Gespräch. Daraus inszeniert Weiller dann bewegende Aufführungen, eine Mischung aus Lesungen, Musik, Theater. Fast alle Aufführungen finden in Kirchen statt und sind kostenlos. Viele, die dabei sind, weinen und lachen.

Viele Sterbende bringen ihre Lieblingslieder mit ins Hospiz, denn Musik bedeutet ja vielen eine Menge. Ob Schlager, Volkslieder oder klassische Musik. Vielleicht das Lied, zu dem jemand seine erste große Liebe kennen gelernt hat. Oder das Wiegenlied, das die Mutter immer gesungen hat. Immer sind die letzten Lieder verbunden mit Erinnerungen und aufgeladen mit Gefühlen.

Oft tröstet die Musik. Im Falle von Monia Schäfer ist es ein Liebeslied. Ein Song von Udo Lindenberg, der heißt „Stark wie zwei.“ erzählt sie Stefan Weiller von ihrer großen Liebe, ihrem Mann, mit dem sie 36 Jahre lang verheiratet war. Er ist vor drei Jahren gestorben. Erzählt von den glücklichen Zeiten und schwierigen Phasen. Ein Rückblick voller Lebensfreude.

Stefan Weiller ist beeindruckt, wie intensiv viele Gespräche sind. Wie sich die Sterbenden öffnen und erzählen, was sie im Leben geschafft haben. Und was sie versäumt haben. Dabei hilft die Musik. Manche sagen: „Wenn ich meine Musik höre, steht die Welt still.“ Deshalb heißen die Aufführungen so: Und die Welt steht still. Letzte Lieder. Für Stefan Weiler ist ein Hospiz nicht in erster Line ein Haus des Todes. Sondern des Lebens. In dem Menschen in ihren letzten Wochen auch das Leben genießen können. Er sagt: „Ich begegne lebendigen Menschen“ und ist sicher: „Lebensqualität ist in jeder Phase des Lebens möglich“.

Wenn die Konzerte aufgeführt werden, sind die Interviewten schon gestorben. Doch ihre letzten Lieder und Geschichten bleiben als musikalische Vermächtnisse. Ihre Gedanken und Gefühle. Ihre Trauer und ihre Hoffnung. Monika Schäfer hat ihre Hoffnung so ausgedrückt: „Ich glaube, auf der anderen Seite wird es keine Qual geben, keine Schmerzen. Udo Lindenberg singt: ‚Toll, dass wir wieder zusammen sind.‘ Bestimmt steht mein Mann dann da und empfängt mich. Und dann werden wir wieder miteinander tanzen.“

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