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Straßengold
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Straßengold

Dr. Peter-Felix Ruelius
Ein Beitrag von Dr. Peter-Felix Ruelius, Leiter ZB Christliche Unternehmenskultur & Ethik bei der BBT-Gruppe, Koblenz

Auf der Straße kann man eine Menge lernen. Manchmal liegt da sogar Gold herum.

Ich gehe durch die Stadt, will etwas einkaufen und habe es eilig. Auf meinem Weg steht ein Mann, der sich gerade nach etwas Funkelndem bückt. Als er sich wieder aufrichtet, hält er einen goldenen Ring in der Hand, zeigt ihn mir und sagt: Schauen Sie mal: Den hat jemand verloren. Ich zögere, aber da gibt mir der Mann schon den Ring und fährt fort – und sehen Sie, da ist auch ein Stempel drin: Echtes Gold. Tatsächlich. Ja, dann müssen Sie den Ring unbedingt ins Fundbüro bringen, sage ich. Ach, sagt der Mann, das ist schwierig. Wissen Sie, ich habe keine Papiere; bringen Sie ihn doch dorthin – oder behalten Sie ihn; das bringt Glück. Ach, sagt der Mann noch, hätten Sie vielleicht etwas Geld für mich? Ich muss mir etwas zu essen kaufen. Ich gebe ihm, überrumpelt, ein paar Euro und gehe weiter: Mit einem Ring, der mir nicht gehört und mit dem ich auch noch Arbeit habe.

Dass ich hier einem der ältesten und billigsten Ganoven-Tricks aufgesessen bin: Darauf komme ich dann doch ziemlich schnell, denn irgendwie kommt mir die Situation ja doch komisch vor. Und der Ring ist natürlich nicht aus Gold, sondern aus billigem Messing. Das Fundbüro will ihn nicht haben.

Auf der Straße kann man eine Menge lernen: Die erste Lektion: Gold liegt dort in den seltensten Fällen herum. Die zweite Lektion ist wichtiger: Ich fange an, über meine Gutgläubigkeit nachzudenken. Und über Misstrauen. Und ich beschließe: Meine Gutgläubigkeit will ich mir nicht nehmen lassen. Ich gehe meistens davon aus, dass Menschen mir gegenüber ehrlich sind. Das ist meine Spielregel. Handle den Menschen gegenüber so, wie du von ihnen behandelt werden willst. Es ist die so genannte goldene Regel. Sie steht schon in der Bibel (vgl. Mt 7,12). Mein Fazit: Daran will ich festhalten, auch auf die Gefahr hin, dass ich manchmal ausgenutzt werde.

Ich muss lachen – weil ich ausgerechnet mit einem vermeintlich goldenen Ring noch einmal zum Nachdenken über die „goldene Regel“ gebracht wurde. Ich will mir trotz dieser Erfahrung mein Vertrauen in die Menschen nicht ausreden lassen. Auch wenn ich auf den Ring-Trick sicher nicht ein zweites Mal hereinfalle.

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