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Das Warten der Dichter
Bildquelle: Baptiste Heschung/Pixabay

Das Warten der Dichter

Karl Waldeck
Ein Beitrag von Karl Waldeck, Pfarrer, ehem. Direktor Evangelische Akademie Hofgeismar, Kassel
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Heute ist der Mittwoch zwischen dem 2. und dem 3. Advent. In vierzehn Tagen ist Weihnachten. Advent heißt übersetzt – Ankunft. Zur Ankunft gehört – oft zumindest – Warten.

Warten zu müssen – es ist eine elementare, wiederkehrende Erfahrung jedes Menschen. Das Warten in Worte zu fassen und in eine besondere literarische Form zu gießen, daran haben sich immer wieder Dichter gemacht. Drei von ihnen, sie lebten im 20 Jahrhundert, sind mir dabei besonders wichtig geworden. Einer von ihnen ist Heinrich Böll. Vom Anfang bis zum Ende hatte er den Zweiten Weltkrieg erlebt: Sterben, Elend, Gefangenschaft. Erzählungen und viele Briefe zeugen davon. Was aber ist für das Leben eines Soldaten im Krieg typisch? Heinrich Böll meint: nicht das Gefecht, sondern das Warten, die Ungewissheit dessen, was und wann es kommt. Das unterscheidet sich grundsätzlich von den Dauergefechten, die man aus Kriegsfilmen und von Computerspielen kennt. Doch das Warten nimmt dem Grauen des Kriegs nichts.

Warten als Lebensform, als existentielle Erfahrung. Schon der Titel von Samuel Becketts Theaterstück „Warten auf Godot“ greift es auf; kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ist es erschienen. Zwei Hauptfiguren, die Landstreicher Waldimir und Estragon, warten auf einen gewissen „Godot“. Wer er ist und wann er kommt, ist ihnen unbekannt. Man hat hinter dem Begriff „Godot“ – „Gott“ vermutet, einen fernen Gott, der die Menschen im Ungewissen, der sie warten lässt. Doch es geht bei Beckett wohl eher um etwas Grundsätzlicheres: Menschen warten; sie beharren auf der ewig enttäuschten Illusion, dass Großes kommen möge. Sie warten, dass sich etwas grundlegend ändert. Und über dem Warten vergeht das Leben.
Das Warten der Dichter. Warten und Ungeduld sind miteinander verwandt.
Das hören wir in Berthold Brechts Gedicht „Der Radwechsel“:

Ich sitze am Straßenhang.
Der Fahrer wechselt das Rad.
Ich bin nicht gern, wo ich herkomme.
Ich bin nicht gern, wo ich hinfahre.
Warum sehe ich den Radwechsel
mit Ungeduld? 


Eine Autopanne, ein aufgenötigtes, unfreiwilliges Warten. Zwischen einem Hier und Dort, zwei Orten, die der Dichter, der Wartende, beide nicht mag. Warum dann diese Ungeduld beim Radwechsel? Es ist ein Zwangsstopp. Und das Gefühl, es müsse doch voran gehen, schneller zumindest, machen das Warten schwer nur erträglich.
Drei Dichter, drei literarische Zeugnisse über das Warten – unterschiedlich in Form und Inhalt. Worauf warte ich, was suche ich, woher kommt die Unruhe in meinem Leben? Der Advent ist eine gute Zeit, sich dieser Frage zu stellen.
Und auch für diese Frage gilt: Warte nicht auf bessre Zeiten! Lebe dein Leben jetzt!   

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