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Beten ist wie Küssen
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Beten ist wie Küssen

Ein Beitrag von Stephanie Haas, Homberg

Nach den Ferien ist es wieder so weit. Wenn man Religion unterrichtet, kommt man um die obligatorischen Fragen nicht herum: Wie oft gehen Sie in die Kirche? Glauben Sie wirklich an Gott? Und ganz oben auf der Fragenliste steht auch: Beten Sie?

Insgeheim erwarten die Schüler, dass ich natürlich jeden Sonntag in die Kirche gehe, noch nie an Gott gezweifelt habe und selbstverständlich jeden Tag mindestens mein Abendgebet aufsage. Schließlich bin ich ja Religionslehrerin. Umso erstaunter sind sie dann, wenn sie meine Antworten hören: Ich gehe gern in die Kirche, ja, aber nicht jeden Sonntag. Ich glaube an Gott, aber manchmal ist er auch für mich ziemlich weit weg. Und das mit dem Beten, das habe ich lange Zeit gar nicht gemacht, zumindest nicht außerhalb des Gottesdienstes.

Dabei war es für mich als Kind selbstverständlich zu beten. Viele Gebete aus meiner Kindheit kann ich heute noch. „Müde bin ich, geh zur Ruh‘ …“ mochte ich am liebsten. Aber irgendwie bin ich mit der Zeit rausgewachsen aus diesen kindlichen Versen. „Bringt das alles überhaupt was?“ – das habe ich mich mehr als einmal gefragt. Ich habe Menschen getroffen, die waren der festen Überzeugung, dass man nur genug beten muss, dann wird die Abschlussprüfung schon gutgehen. Zehn Vaterunser für eine Eins, so kann das nicht funktionieren, da bin ich mir sicher. Gott ist kein Händler, der sich von der bloßen Anzahl meiner Gebete beeindrucken lässt.

Überhaupt – ich glaube, ich bete nicht für Gott. Ich bete für mich. Weil ich es brauche. Weil ich Gott brauche. Das kann in Zeiten großer Verzweiflung sein. Wenn ich das, was mich bedrückt, mit niemandem besprechen kann, dann ist da Gott. Es kann aber auch pure Freude und Dankbarkeit sein. Wenn ich vor lauter Glück platzen könnte, wenn ich überwältigt bin von der Schönheit der Natur oder von freudigem Kinderlachen – dann kann daraus ein Gebet werden. Dann habe ich ganz einfach das Bedürfnis zu beten.

Neulich habe ich dazu einen tollen Satz gelesen: Beten ist wie küssen. Ich küsse auch nicht, weil ich denke, dass es was bringt. Sondern weil es mich froh macht.

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