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Wozu bin ich da?
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Wozu bin ich da?

Anke Jarzina
Ein Beitrag von Anke Jarzina, Katholische Pastoralreferentin in der Pfarrei St. Peter und Paul in Wiesbaden

Schon wieder ein Feiertag – und sogar ein verlängertes Wochenende! Ich freu mich auf die Zeit, die ich heute und die nächsten Tage ganz entspannt mit meiner Familie verbringen kann. Mein Mann gehört nicht zu den Vätern, die den Vatertag heute mit Bollerwagen und Bier und Kumpels feiern. Wir sind heute Nachmittag noch mit Freunden zum Doppelkopfspielen verabredet und gönnen uns so eine Auszeit vom Alltag. Ich weiß inzwischen: Damit ich im normalen Alltag zu etwas zu gebrauchen bin, brauche ich ab und zu mal Pausen davon. Ich bin schließlich nicht dazu da, immer nur zu arbeiten und zu funktionieren. Hört sich einfach an, geht aber in der Woche mit Beruf und Familie und Hobbies oft unter. Umso wichtiger sind Sonntage – oder Feiertage wie heute.

Aber: Der Grund, weshalb wir heute frei haben, hat mal so gar nichts mit Pause machen zu tun. Die christlichen Kirchen feiern heute nämlich Christi Himmelfahrt. Dabei wird an die biblische Geschichte gedacht, in der der auferstandene Jesus in den Himmel auffährt – und seine Jünger erst einmal alleine und verblüfft zurück lässt. Damit ist bei ihnen erst einmal Schluss mit Feiertagsstimmung und Bequemlichkeit. Für die Jüngerinnen und Jünger beginnt an Himmelfahrt ein neues Leben, ein anstrengendes. Bisher hatte Jesus ihnen Halt und Kraft und Orientierung gegeben, selbst nach seinem Tod. Aber jetzt ist er endgültig weg. Das ist erstmal ein Schock. Denn jetzt müssen sie ran. Jetzt werden sie gebraucht.

Es gibt viele Menschen, die sich so ähnlich fühlen wie die Jünger damals an Himmelfahrt. Verlassen, alleine gelassen mit einem Sack voller Probleme oder ungelöster Aufgaben. Immer wieder werden Menschen verlassen: von Ehepartnern, von Freunden, von Kindern. Nicht immer muss das aus böser Absicht oder einem Konflikt heraus geschehen, manchmal ist es auch einfach an der Zeit.

Ich erinnere mich daran, als ich damals zum Studieren ausgezogen bin in das gefühlt tausende Kilometer entfernte Marburg. Ich hatte keinen Streit mit meinen Eltern, im Gegenteil. Ich bin weg, weil es einfach dran war für mich, weil ich gespürt habe: den Abstand brauche ich jetzt. Und sie haben mich ziehen lassen. Zwar war es auch schon eine Herausforderung und nicht immer leicht: die erste eigene Wohnung, zum ersten Mal ganz alleine den Alltag managen. Aber letztlich bin ich froh, dass ich den Schritt gegangen bin. Ich hab mich in dieser Zeit nämlich selbst besser kennen gelernt und außerdem viele neue Freunde gefunden, unter anderem meinen zukünftigen Mann. Die Zeit, in der ich auf mich alleine gestellt war, ohne Eltern, war eine Chance für mich. Ich konnte wachsen und reifen, mich ausprobieren vor allem herausfinden: Was will ich eigentlich im Leben?

Heute wage ich zu behaupten, dass meine Eltern eine ähnliche Erfahrung gemacht haben, als beide Kinder dann irgendwann aus dem Haus waren: auf einmal wieder auf sich alleine gestellt sein, nicht mehr von der Familie gebraucht zu werden, das ist schon eine Umstellung. Aber eben auch eine Chance, sich selbst, den Partner und vor allem den eigentlichen Sinn des Daseins wieder neu zu entdecken. Viele suchen sich in dieser Phase neue Hobbies oder beleben die alten wieder, gehen auf Reisen oder machen irgendwas, was sie schon immer mal machen wollten.

Wenn ich verlassen werde, plötzlich wieder auf mich selbst gestellt bin, dann kann das auch gut für mich sein. Ich kann daran wachsen und herausfinden, wozu und für wen ich eigentlich da bin.

Herausfinden, wozu und für wen ich eigentlich da bin: das mussten die Jünger damals auch, als Jesus plötzlich in den Himmel aufgefahren war. Letztlich war das der Beginn der ersten christlichen Kirche. Herauszufinden, wozu und für wen ich eigentlich da bin: das ist auch die große Herausforderung für viele Menschen heute, nicht nur für die gläubigen.

Wofür bin ich da, wofür setz ich mich ein? Es gibt etliche Menschen, gerade auch gläubige, die sagen: für den Frieden! Sie engagieren sich in Friedensbewegungen oder in der Politik. „Suche Frieden.“ (Psalm 34): Das ist auch das Motto des Katholikentags, der seit gestern in Münster stattfindet. Es stammt aus einem Psalm der Bibel: Suche Frieden und jage ihm nach! Sich für den Frieden stark machen: Das ist eine Aufgabe für Christen, aber nicht nur für sie. Und es ist ein Engagement, das wirklich Sinn stiften kann, das Antwort geben kann auf die Frage: Wozu und für wen bin ich eigentlich da?

Ich persönlich würde diese Frage zuerst einmal mit meiner Familie beantworten. Gerade jetzt, wo die Kinder noch klein sind, werde ich hier am meisten gebraucht. Aber: ich bin nicht nur Mama. Und irgendwann werden meine Kinder mich verlassen, das ist der Lauf der Dinge. Was dann? Wozu werde ich gebraucht? Ich habe für mich noch eine Antwort gefunden, die auch aus der Bibel stammt und die auch mit dem Frieden auf der Welt zu tun hat. Ich setzte mich für die Bewahrung der Schöpfung ein, also für die Umwelt und die Natur. Das kann ich auch ganz niedrigschwellig tun, zum Beispiel indem ich regionale oder Bio-Lebensmittel einkaufe, auf Plastikverpackungen so gut es geht verzichte oder mehr Fahrrad fahre. So gut ich es zeitlich hinkriege, mische ich auch ein bisschen kommunalpolitisch mit – aber da ist noch Luft nach oben.

Wozu und für wen bin ich da? Wer braucht mich?

Ich denke: Jedem drängt sich die Frage irgendwann auf. Oft eben in Zeiten, in denen ich Abschied von etwas nehmen muss, in denen Menschen oder Aufgaben auf einmal weg sind - so, wie Jesus damals für die Jünger. Wenn ich meine „Komfortzone“ verlassen muss, dann frage ich mich: Was kann ich jetzt Sinnvolles tun? Wozu bin ich da und für wen? Worum geht es mir eigentlich im Leben?

Ich persönlich finde in der Bibel ganz gute Antworten auf diese Frage. Antworten, die ich auch ziemlich sofort und konkret in die Tat umsetzen kann. Aber manchmal hilft mir auch schon ein Gespräch mit guten Freunden oder der Familie. Das kann ja dann auch ganz gechillt beim Grillen mit Bier und Bollerwagen stattfinden.

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