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Anne-Katrin Helms
Ein Beitrag von Anne-Katrin Helms, Evangelische Pfarrerin, Erlösergemeinde Frankfurt-Oberrad

In den Sommerferien war bei uns eine Freundin unserer Tochter zu Besuch. Sie ist künstlerisch sehr begabt. Und weil wir große, weiße Wände in unserer Wohnung haben, bat ich sie, uns ein Bild zu malen. Mit Acrylfarben, Pinsel und Spachtel ging sie ans Werk. Nach wenigen Stunden war das Bild fertig. Sie überreichte es uns stolz. Wir hingen es in unserer Küche auf. Es ist wild geworden und bunt. Sehr lebendig. Mir gefällt es gut. „Willst du es nicht signieren?“ fragte ich sie. „Dann weiß man noch in vielen Jahren, dass es von dir ist. Und wer weiß, vielleicht wirst du berühmt. Dann haben wir ein Jugendwerk von dir!“ Sie hatte sich schon bei anderen Bildern überlegt, wie ihre Signatur aussehen soll. Und so unterschrieb sie das schöne Bild mit ihrem Namen.

Schon seit dem frühen Mittelalter werden Dokumente unterzeichnet. Ein Symbol oder der Name gibt den Urheber des Schriftstücks an. Später wurden dann auch Gemälde signiert. Im Laufe der Zeit wurde die Signatur immer mehr auch zu einem Markenzeichen, das zu einer bestimmten Person gehört. Ich habe Picassos Unterschrift vor Augen. Bei ihm sind Name und Werk fast eins. Oder das „AD“ von Albrecht Dürer. Wenn jemand sein Werk unterschreibt, dann identifiziert er sich damit.

Das deutsche Wort „Segnen“ kommt von dem lateinischen Wort „Signare“. Das gefällt mir: Wer segnet, versieht etwas mit einem Zeichen, mit einer Unterschrift – und verweist damit auf Gott. Wenn ich ein Kind taufe, dann mache ich anschließend ein Kreuzzeichen auf seine Stirn. Wenn ich mich von einem Freund für längere Zeit verabschiede, dann segnen wir uns gegenseitig mit dem Kreuzzeichen.

In der Antike pflegte man einem Sklaven ein Zeichen auf die Stirn zu schreiben. Das bedeutete: Der gehort mir! Gemeint war: Der hat keine Rechte. Der ist mein Besitz. Bei Gott heißt es auch: Du gehörst zu mir. Aber du bist nicht mein Sklave, sondern mein Sohn. Du bist meine Tochter. Du bist frei. Du darfst dich entfalten. Und dazu gebe ich dir meinen Segen.

Darin unterscheide ich mich von einem Gemälde: Ich bin noch nicht fertig. Ich darf und soll mich entwickeln. Am Ende meines Lebens bin ich vielleicht ganz anders geworden, als ich es mir zuvor ausgemalt hatte.

Etwas ist ähnlich beim Segnen wie beim Gemälde, das der Künstler signiert: Gott legt sich fest. Weil er mich segnet, identifiziert er sich mit seinem Werk, mit mir. Er hält zu mir, auch wenn ich nicht bekannt oder berühmt werde. Er bleibt sogar an mir dran, wenn ich Mist baue und Wege gehe, die ihm nicht gefallen. Ob die Menschen um mich herum die Signatur Gottes an mir erkennen? Ob sie Gottes Segen in mir spüren? Ich wünsche es mir.

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