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Goldener Oktober

Goldener Oktober

Ein Beitrag von Janine Knoop-Bauer, Evangelische Pfarrerin, Darmstadt

Heute beginnt der Oktober. Kein anderer Monat trägt einen so kostbaren Beinamen wie er. Golden wird er genannt. Golden wie frischer Apfelmost und Zwiebelkuchen. Golden, wie die Blätter, die der Herbst färbt. Golden, wie das Licht, das sich vor allem in der Abendstimmung in den Blättern spiegelt. Gerade dieses Licht macht den Oktober für viele so wertvoll. Denn es ist das Licht vor der dunklen Jahreszeit. Ein letzter strahlender Gruß himmlischen Goldes.

Ich empfinde dieses Himmelsgold als ein kostbares Geschenk. Die Farbe Gold legt nahe, es als ein göttliches Geschenk zu betrachten. Sie steht in der christlichen Symbolik für die Gegenwart des Göttlichen in der Welt. In vielen orthodoxen Kirchen kann man das sehen, viele Ikonen, Maria, Jesus und die Heiligen sind auf einem goldenen Grund gemalt. Aber auch in manchen evangelischen Kirchen spielt Gold eine wichtige Rolle.

Ein Beispiel dafür ist die Erlöserkirche in Bad Homburg vor der Höhe. Der Innenraum dort ist fast vollständig mit goldgrundigen Mosaiken geschmückt. Sie reichen bis hoch in die Kuppel der Kirche. Aus der Mitte der Kuppel strahlt ein golden beleuchtetes Kreuz. Alle, die es sehen, sollen spüren: Hier, im goldenen Licht der Kirche, seid Ihr Gott ganz nah. Ich fühle das in der Kirche. Aber auch ähnlich, wenn ich unterwegs bin im goldenen Licht des Oktobers. An einem klaren goldenen Herbsttag, fühle ich mich Gott ganz nah.

Ich möchte in diesem Oktober die lichten und goldenen Momente verwahren, die mir diese Nähe bescheren. Ich will sie aufheben, damit ich sie nicht vergesse, wenn das Licht abnimmt. Ich werde mir einen kleinen goldenen Schatz ansammeln. Einen Reichtum, der mich durch die dunkle Zeit bringt.

Und den möchte ich auch teilen. Das nehme ich mir vor. Wenn die Kollegin heute Morgen über den beginnenden Herbst klagt, dann möchte ich ihr etwas davon abgeben. Vielleicht indem ich sie auf die goldene Färbung der Linde vor dem Fenster aufmerksam mache. Und auf die vielen herzförmigen, goldenen Blätter, die sie auf dem Gehweg verteilt wie kleine Liebesbriefe.

Wenn die immer frierende Freundin sich über die Herbstkälte beschwert, dann werde ich ihr den Sonnenplatz am Fenster anbieten. Und wenn meine Kinder heute Abend finden, dass es viel zu früh dunkel wird, dann möchte ich mir die Zeit nehmen, um mit ihnen über die Farben der untergehenden Sonne zu staunen. Ich sammle einen goldenen Schatz aus dem Licht des Oktobers. Und so kann dieser Monat eine Zeit für mich werden, in der ich mich beschenken lasse. Von Himmelsgold.

In vielen christlichen Gemeinden wird am vierten Oktober im Gottesdienst Erntedank gefeiert. Für mich ein Grund mich aufzumachen, um Danke zu sagen für diesen Vorrat. Goldenes Licht als Wegzehrung für den Winter.

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