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Verloren im Wald
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Verloren im Wald

Andrea Maschke
Ein Beitrag von Andrea Maschke, Katholische Pastoralreferentin in Bad Homburg / Friedrichsdorf
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Eigentlich wollte ich nur wenige Kilometer fahren und nicht lange unterwegs sein. Ich war im Spätsommer auf Radtour in der Nähe von Berlin und hatte mir für diesen Tag ein nahes Ziel ausgesucht, ein früheres Zisterzienserkloster, das Kloster Lehnin. Und dann sah ich unterwegs diesen verlockenden Pfeil mit der Abkürzung für Radfahrer, die genau zu meinem Ziel führen sollte. Die Piste im Wald war anfangs noch in Ordnung, verwandelte sich aber bald in einen sehr sandigen Pfad, sicherlich noch gut befahrbar für Mountainbikes, aber nicht für mein Fahrrad mit den schweren Packtaschen hinten. Immer wieder kam ich ins Schlingern. Also bin ich abgestiegen und habe geschoben. Irgendwann wird es bestimmt besser, dachte ich. Wurde es aber nicht, stattdessen war der Weg nach einer Weile fast knöcheltief mit Sand bedeckt und das Schieben wirklich anstrengend. Zum Umkehren war ich, so dachte ich, aber schon zu weit gelaufen. Und dann fiel mir auf, dass ich schon sehr lange kein Wegzeichen mehr gesehen hatte. Das ein oder andere Stoßgebet habe ich da nach oben geschickt. Ich hatte mich verfahren, nein, eher verlaufen.

...denn ich hatte den richtigen Weg verloren

Auf einmal gab mein Handy ein vertrautes Signal von sich: Meine römische Freundin hatte eine Nachricht geschickt. „Bist du denn alleine unterwegs?“, schrieb sie. Und am liebsten hätte ich in diesem Moment direkt geantwortet: „Ja, und wenn du wüsstest, wie allein gerade!“ Denn ehrlich gesagt, war mir inzwischen recht mulmig zumute. Richtig verloren kam ich mir vor.

Ich habe ihr nicht direkt zurück geschrieben, weil ich mich in die Situation nicht hineinsteigern wollte. Zwei Dinge aber fielen mir ein bei der Nachricht: nämlich, und dabei musste ich etwas schmunzeln, erst mal der Anfang der Göttlichen Komödie von Dante. Meine Freundin ist nämlich eine ziemliche Dante-Spezialistin. Der Anfang dieses Hauptwerks von Italiens wichtigstem Dichter lautet: „In der Mitte meines Lebenswegs fand ich mich in einem dunklen Wald wieder, denn ich hatte den rechten Weg verloren“.  Bingo, das passt doch! Aber glücklicherweise war es kein sooo dunkler Wald, sondern eher Kiefern und Birken. Und Dante kommt schon sehr existentiell daher, ihm begegnen im Laufe der Göttlichen Komödie dann verschiedene Begleiterinnen und Begleiter, und durch Hölle und Fegefeuer gelangt er schließlich zu Gott ins Paradies. Also, ich war ganz zufrieden, dass mir gar niemand begegnet ist in dieser verfahrenen Situation, so oder so.

Doch Du geleitest mich sicher zum Ziel

Und die andere Einsicht bei der Nachricht auf dem Handy: Ich habe hier Empfang! Und so habe ich zwar insgesamt zwei Stunden mein Rad durch den Sand und durch den Wald geschoben, bin aber mit Hilfe von GPS und Routenplaner dann doch noch erst auf einen befestigten Weg und dann zu meinem Ziel gelangt.

Als mir klar war, dass ich da wieder gut rauskomme aus dem Wald, und meine Sorge und Angst kleiner wurden, da war dann auch wieder Platz für andere, sogar grundsätzlichere Gedanken. Wann schiebt man sonst so lange sein Fahrrad neben sich her? Da lässt sich schon einiges bedenken, in der Lebensmitte und im Wald…. Über Abkürzungen, die sich als ziemlich beschwerlich heraus stellen, und wie selbstverständlich ich es nehme, wenn es sonst einfach so rollt und läuft. Und welche Begleiter und Begleiterinnen ich mir wünsche. Und im Kloster angekommen, konnte ich aus vollem Herzen sagen: Gott sei Dank!

 

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