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Schon das Wartezimmer beim Arzt kann heilsam sein
DanielCubas/Pixabay

Schon das Wartezimmer beim Arzt kann heilsam sein

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen
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Ich komme in das Wartezimmer eines Arztes – auf Krücken, denn ich hatte mir das Knie verstaucht. Eine Frau aus dem Dorf sitzt schon da und bedauert mich. Ich frage zurück: „Und was hast du, dass du zum Arzt muss?“ „Eigentlich nichts“, antwortet die Frau, „ich wollte nur mal gucken, wer kommt.“

Ich fand das merkwürdig. Doch der Doktor fand es gut. Je mehr die Leute sich begegnen und miteinander schwätzen – und sei es in seinem Wartezimmer –, desto besser, meinte er. Die Leute reden über sich, über ihre Krankheit, über das Leben im Dorf, was schmerzt oder was sie erfreut.

Sich begegnen hat heilsame Kraft

Das stimmt: sich begegnen, miteinander reden hat heilsame Kraft. Unter diesem Blickpunkt habe ich das Wartezimmer des Arztes noch nicht gesehen.

Seit einem Jahr gibt es die Sprechstunde eines Landarztes aus dem benachbarten Laubach bei uns im Dorf. Das Wartezimmer ist eigentlich eine größere Wohnstube in einem  Fachwerkhaus mitten im Ort. Dort sitzen die Leute an Tischen. Manchmal stehen Blumen darauf  und ein paar Plätzchen oder etwas zu trinken. Manchen Patienten tut schon diese warme, freundliche Atmosphäre gut. Alle wissen zu schätzen: Der Doktor kommt zu uns ins Dorf, er wendet sich uns zu, er ist für uns da.

Als ich ihm einmal gesagt habe: „Du hast einen schönen Beruf; du kannst Leute heilen“, hat er geantwortet: „Es geht nicht nur um die ärztliche Kunst oder das medizinische Wissen. Es geht um die Zuwendung zu den Menschen; die hat auch eine heilende Kraft.“

Nähe ist heilsam wie Medizin

Das gilt nicht nur für die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Das gilt für jede Begegnung. Wo sich mir jemand ehrlich zuwendet und mir aufmerksam zuhört, da spüre ich die Nähe, die gut tut und heilsam ist wie Medizin.

Über Martin Buber, einem jüdischen Philosophen, hat mal jemand gesagt: „Der war mir zugewandt wie ein richtiger Freund. Er hörte nicht nur äußerlich zu. Sein Ohr war mit meiner Seele verbunden.“

Ich finde: Wo ein Mensch einem anderen offen und ehrlich begegnet, da wird manches heil.

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