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Das Feuer brennt von unten – Veränderung zum Besseren fängt bei den Leuten vor Ort an
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Das Feuer brennt von unten – Veränderung zum Besseren fängt bei den Leuten vor Ort an

Dr. Ulf Häbel
Ein Beitrag von Dr. Ulf Häbel, Evangelischer Pfarrer, Laubach-Freienseen

Das Feuer brennt von unten. Ich engagiere mich seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Dorfentwicklung. Dieser Satz drückt aus, was ich dabei gelernt habe. Ich war auf einer Tagung zum Thema Ehrenamt. Der Moderator hat gesagt: „Bringen Sie Ihre Erfahrung auf einen kurzen Satz!“ Da habe ich geantwortet: „Das Feuer brennt von unten." – „Können Sie das genauer erklären?", hat er nachgefragt. Das konnte ich.
In dem Dorf im Vogelsberg, in dem ich seit fast dreißig Jahren lebe, wurde eine Grundschule wiedereröffnet. Die frühere Volksschule war durch die hessische Schulreform abgeschafft worden. Aber die Leute im Dorf waren der Meinung: Wir brauchen eine Schule. Und sie haben sich dahinter geklemmt. Sie haben das Gelände, auf dem die Schule entstehen sollte, von Hecken und Bäumen befreit und es erschlossen. So konnte die Grundschule entstehen. Das Feuer brennt von unten!
Vor ein paar Jahren hat sich in unserem Dorf ein Verein gegründet, der nennt sich die „Nachbarschaftsfamilie". Die Idee war, leerstehende und verfallene Häuser im Dorf zu kaufen und zu einem Ort der Begegnung zu machen. Das ist auch gelungen. Heute gibt es dort einen Dorfladen, eine Tagesbetreuung für alte Menschen und ein paar altersgerechte Wohnungen. Den meisten Dreck beim Abriss der alten Gebäude haben ehrenamtliche Helfer beseitigt. Die haben den Staub geschluckt, die Steine geschleppt, den Schutt weggebracht. Das waren rüstige Rentner aus dem Dorf, die das Projekt gut fanden und fördern wollten. Manchmal kamen Asylsuchende dazu, die mitgemacht haben und uns am Ende freundschaftlich verbunden waren, Menschen aus Oberhessen und Eritrea, aus Laubach und Syrien. Wenn ein Sandhaufen vor dem Haus liegt und daneben ein paar Schaufeln, dann versteht jeder, was zu tun ist, und packt an.
Die Leute, die etwas bewegen wollen, tun das auch. Bei ihnen liegt die Energie, etwas zu verändern, wenn es nötig ist. Das Feuer brennt von unten!
Doch es wird manchmal von oben gelöscht. Da sind bürokratische Vorschriften nicht bekannt gewesen und deshalb auch nicht eingehalten worden. Wer weiß schon, dass es in jeder Kommune eine eigene Stellplatzordnung gibt, wenn man sein Auto parken will. Niemand von uns hat gewusst, wie viele Behörden man um Genehmigung oder Gutachten fragen muss, um überhaupt anfangen zu können. Es meldeten sich Bedenkenträger. Ihr Urteil: Das geht nicht, weil … Und sie haben auch ein Beispiel parat, wo mal ein Projekt schief gegangen ist, so ähnlich wie das, das wir planen.
Was nun? Manche, die von der Sache begeistert waren, sind enttäuscht und ziehen sich zurück. Das Feuer erlischt. Andere machen weiter. Sie setzen dem Urteil „Das geht nicht, weil…" eine Vision entgegen; die lautet: „Das ginge doch, wenn…." Sie suchen nach Möglichkeiten, unter denen ihr Vorhaben doch gelingt, zum Beispiel einen Spielplatz zu gestalten oder nachbarschaftliche Hilfe zu organisieren.
Ihre Energie kommt aus der Vision: Ich glaube an den guten Ausgang aller Dinge. So hat der evangelische Theologe Fulbert Steffensky den letzten Satz des christlichen Glaubensbekenntnisses formuliert. Im Original heißt das so: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Fulbert Steffensky formuliert: Ich glaube an den guten Ausgang aller Dinge.
Das heißt nicht, dass immer alles glatt geht. Im Leben gibt es Enttäuschungen und Versagen, Fehler und Schuld. Damit erlischt aber nicht der Glaube an den Sinn des Lebens. Das Feuer brennt weiter von unten.

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