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10.000 Dinge - doch was macht wirklich glücklich?
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10.000 Dinge - doch was macht wirklich glücklich?

Stefan Buß
Ein Beitrag von Stefan Buß, Katholischer Pfarrer in der Innenstadtpfarrei St. Simplicius, Faustinus und Beatrix, Fulda
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Was muss ich tun, um das ewige Leben zu gewinnen? Wann habe ich mir diese Frage eigentlich zum letzten Mal gestellt? Bzw. habe ich diese Frage überhaupt schon jemals irgendwann gestellt?

Eine andere Frage liegt da wahrscheinlich näher, nämlich: Was muss ich tun, um glücklich zu werden? Und die Suche nach dem ewigen Glück klingt jedenfalls viel zeitgerechter als die Suche nach dem ewigen Leben … biblisch jedoch ist das ein und dasselbe. Jesus ist ja gekommen, damit die Menschen das Leben haben – und zwar das Leben in Fülle, wie es der Evangelist Johannes einmal schreibt. Und Fülle des Lebens heißt nach der Bibel ein glückliches Leben und dazu noch in Ewigkeit.

Was also muss ich tun für mein ewiges Glück? Die Antwort des Evangeliums ist klar und einfach – und daher so furchtbar schwer. Sie lautet nämlich: Halte dich an die Gebote – an die Weisungen Gottes. Besonders die Hauptgebote Gott und den Nächsten zu lieben. Und genau da wird es schwierig, weil der Mensch in seinem Handeln oft auch an den Weisungen Gottes vorbei geht. Und dann stellt Jesus noch im 10. Kapitel des Markusevangeliums die Forderung: Wenn du glücklich werden willst, dann geh und verkaufe alles, was Du hast! Diese Botschaft wird an diesem Sonntag in den katholischen Gottesdiensten verkündet. Ist das nicht geradezu eine Zumutung, eine solche Aufforderung? Auf Reichtum verzichten, um glücklich zu sein? Die heutige westliche Gesellschaft sieht das eigentlich ganz anders. Reichtum und Vermögen lassen scheinbar sorgenlos leben. Und so gibt es viele Menschen, die meinen, ihr Glück in materiellen Dingen dieser Welt suchen zu müssen.

Musik: "Glück" - Rudolph Mauersberger - Sololied für Sopran und Klavier - CD Komponisten-Porträt Rudolph Mauersberger

Eine Geschichte erzählt, dass ein sehr weiser Mann einmal nach einer mühevollen Wanderung zu einem Dorf kam und ließ sich am Dorfrand unter einem Baum nieder, um dort zu übernachten. Plötzlich rannte ein Dorfbewohner zu ihm hin und rief: "Gib mir den Stein! Gib mir den kostbaren Stein!" "Ja, welchen Stein?", fragte der Weise. "Letzte Nacht hatte ich einen Traum", sagte der Dorfbewohner. "Bei Einbruch der Dunkelheit werde ich am Dorfrand einen weisen Mann treffen, der mir einen kostbaren Stein geben würde, damit ich für immer reich bin."

Der Weise durchwühlte seinen Rucksack und zog einen Stein heraus. "Du meinst wohl diesen hier", sagte er und gab dem Dorfbewohner den Stein. "Ich habe ihn vor einigen Tagen auf einem Waldweg gefunden. Er scheint für dich bestimmt zu sein, also sollst du ihn haben." Staunend betrachtete der Mann den Stein. Es war ein Diamant, ein ungeheuer großer, kostbarer und wertvoller Diamant. Er nahm ihn und ging heim.

Doch die ganze Nacht wälzte sich der Mann in seinem Bett. Er konnte kein Auge zu machen und keine Minute schlafen. Er hatte die Gedanken immer bei diesem kostbaren Stein. Am nächsten Morgen stand er wie gerädert auf, nahm den Stein und brachte ihn zurück. "Nimm ihn wieder, ich will ihn nicht haben, aber bitte gib mir stattdessen den Reichtum, der es dir ermöglicht hat, mir zuvor diesen Stein so leichten Herzens zu geben."

Welchen Reichtum muss der Weise in der Geschichte gehabt haben, dass er sich so leicht, von diesem Stein trennen konnte, dass er einen Diamanten weggeben konnte, ohne etwas zu verlangen? So was schenkt man doch nicht einfach her, noch dazu einem wildfremden Mann, auch nicht, wenn er davon geträumt hat! Ich möchte wissen, warum konnte er das so einfach tun. Er war doch nicht dumm. Er war intelligent und trennte sich von etwas ganz Wertvollem. Warum?

Genauso haben sich damals die Leute gefragt, als der heilige Franziskus alles hergeschenkt hat. Franziskus lebte im 13. Jahrhundert in Assisi in Umbrien nahe der Stadt Perugia. Der reiche Tuchhändler lebt plötzlich ganz arm, ohne Besitz und schenkt alles her. Er will kein Eigentum mehr haben. Er verlangt nichts für sich, lebt für die anderen, pflegt die Kranken, wandert umher und predigt vom Reich Gottes wie Jesus es gesagt hat. Der Ruf Jesu: "Verkaufe alles und folge mir nach", ist nicht ohne Wirkung geblieben. Franziskus wird zum Vater der Armutsbewegung in dieser Zeit und wollte die Kirche zu den Anfängen des Evangeliums zurückführen. Von ihm war auch in unseren Breiten die Hl. Elisabeth von Thüringen beeinflusst.

"Verkaufe alles, was du besitzt, gib den Erlös den Armen und folge mir nach." Dieser Ruf hat also in der Geschichte der Kirche immer wieder Bewegungen ausgelöst, die Zeichen setzen und die Kirche von innen her erneuerten. Der reiche Jüngling, von dem Jesus im Evangelium spricht, der übrigens ein sehr frommer Mann war, ein gottesfürchtiger Mensch, hat alle Gebote gehalten von Jugend auf. Wer kann das ganz ehrlich von sich behaupten? Sicherlich so schnell keiner.

Dieser Mann aber konnte sich leider nicht von seinem Reichtum lösen. Er hing an diesen irdischen, materiellen Dingen. Wie viele lassen sich von Dingen in Besitz nehmen. Streben letztlich nach materiellem Besitz, nach irdischen Gütern und wollen immer mehr. Ich kann mir alles leisten und ohne Sorgen anscheinend leben. Das Evangelium kann provozieren. Was Jesus dem jungen Mann sagt, ist eine Zumutung für all die, die ihr Leben allein auf ihr Hab und Gut bauen.

Wir Deutsche – auch die Christen – gehören im Allgemeinen zu den reicheren Menschen auf dieser Erde. Diesen nun soll gesagt sein, ein Kamel käme leichter durch ein Nadelöhr als ein Reicher ins Reich Gottes. So jedenfalls sagt es das Evangelium. Laut der Erzählung wird dem jungen reichen Mann nach Jesu Aufforderung düster. Aber nicht nur ihm: Auch die Jünger scheinen Jesu Aufruf als Paukenschlag empfunden zu haben. Ihre Reaktion: "Sie schauderten." Schaudern kann man noch mehr, wenn man sich an die Frage erinnert, mit der der junge Mann zu Jesus gekommen war, denn er fragte: Was soll ich tun, um unendliches Leben zu erben – ein Leben, das bleibt?

Musik: Robert Jones - „Herr, Gott des Lebens“ (Chor und Orgel) - CD Geistliche Chorwerke Vol II

Der junge Mann fragt nicht, was er tun muss, um sich unendliches Leben zu verdienen. Er fragt danach, was er tun muss, um es zu erben, also: um es geschenkt zu bekommen. Das Erlangen des ewigen Lebens ist nicht eine Sache der Leistung, sondern ein Geschenk Gottes. Gott will den Menschen mit "unendlichem" Leben beschenken: einem erfüllten und gelingenden Leben jetzt und dann in der liebenden Gemeinschaft mit Gott jenseits der Grenze des Todes.

Das Evangelium gibt die Antwort auf die Frage des jungen Mannes. Es verweist darauf, dass dies alles einem Menschen geschenkt wird, wenn er sich an Jesus festmacht. Wenn er oder sie in seinen Spuren geht. Also dann, wenn ein Mensch Jesus nachfolgt.

Habe ich als Christ oder Christin das einmal verstanden, dann lautet die Frage, um die es eigentlich geht: Was hindert mich eigentlich daran, mich und mein ganzes Leben an Jesus festzumachen, mein Leben an seinem Leben zu orientieren?

Ein solches Hindernis kann der materielle Reichtum sein. Es gibt ganz unterschiedliche Dinge, die Menschen daran hindern, sich auf Jesu Weg einzulassen. Sich auf Jesus einzulassen, ist allerdings keine kinderleichte Sache. Christsein als Leben in der Nachfolge Jesu ist nicht etwas, das man so nebenher machen kann. Die Beziehung zu Gott und zu Jesus erhebt den Anspruch darauf, dass sie das Wichtigste und Erste im Leben sein will. Wo sie das Wichtigste und Erste geworden ist, wird alles andere zweitrangig. Das bedeutet aber auch, dass das mit recht schmerzlichen Konsequenzen verbunden sein kann, wenn man als Jesusjünger, als Christ, sein Leben gestalten will.

Musik: Stanley Vann - Magnificat für Chor und Orgel - Magnificat and Nunc Dimittis

Schauen wir noch einmal auf dieses schöne Bild, das Jesus da verwendet: Das große Kamel – und das kleine Tor in der Stadtmauer, das Nadelöhr, durch das es hindurch soll.

Wenn Jesus vom Nadelöhr spricht, dann spricht er mit aller Wahrscheinlichkeit von einem Stadttor in Jerusalem. Zurzeit Jesu waren alle Städte mit Mauern umgeben, die mit einigen Toren versehen waren. Diese wurden allerdings aus Sicherheitsgründen nachts verrammelt und verriegelt, damit keine feindlichen Truppen eindringen konnten. Wer also bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht rechtzeitig die Stadt erreicht hatte, musste draußen übernachten.

In Jerusalem aber gab es eine kleine Tür, die immer geöffnet war. Tag und Nacht. Sie war allerdings so eng und niedrig, dass dort kein Angreifer mit Rüstung und Waffen eindringen konnten, sondern nur einzelne Personen und das auch nur gebückt. Und dieser Eingang hieß im Volksmund damals "Nadelöhr".

Mit diesem Wissen im Hintergrund lässt sich besser verstehen, was der Herr meint, wenn er sagt: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt."

Wenn zum Beispiel ein reicher Kaufmann mit seiner Karawane die Stadt Jerusalem nicht rechtzeitig vor Toresschluss erreicht hatte, um sich und seine Waren hinter den Mauern vor den Räubern in Sicherheit zu bringen, musste er sich entscheiden: Bleibe ich jetzt, diese Nacht draußen bei meinen voll beladenen Kamelen? Oder bringe ich mein Leben lieber in Sicherheit, indem ich durch das Nadelöhr in die Stadt hineingehe?

Eins war klar: Seinen ganzen Besitz konnte er nicht mitnehmen. Der war zu sperrig für das kleine Tor. Der Reiche musste sich wohl oder übel davon trennen, es loslassen.

Ich habe mal eine kleine Geschichte gelesen, in der ein Mann von genau einer solchen Situation berichtet: Er sitzt vor einem solchen Stadttor, das klein und eng ist, damit man es in einem Kriegsfall gut verteidigen kann, und schaut dem Betrieb zu. Und da kommt solch ein Kamel am Tor an – und es kann wirklich nicht hindurch, weil es zu viel mit sich herumträgt; weil es zu sehr beladen ist - und somit „zu reich“ ist.

Aber das Kamel muss hinein - weil es seinem Besitzer wertvoll ist; es gehört doch zu seinem Besitz, zu seinem Vermögen. Er kann es unmöglich draußen ungeschützt stehen lassen.
Aber am Ende passt es doch hindurch - aber nicht, weil es das selbst geschafft hätte, sondern, so erzählt der Mann, weil der Herr des Tieres kommt und dem Kamel die Lasten nach und nach vom Rücken nimmt.
Und wenn der Herr alles abgeladen hat und wenn er mit eigenen Händen all die Lasten durch das enge Tor hineingetragen hat, dann passt auch das Kamel hindurch - und es kann in die Sicherheit, die die Stadtmauern bieten.
Wie gesagt: Alleine schafft es das Kamel wirklich nicht. Aber es gibt ja noch diesen Herrn. Gott sei Dank. Und der sorgt dafür, dass das Kamel durch das Nadelöhr hindurch kommt und in Sicherheit ist.

Das Kamel steht in der Geschichte symbolisch für einen Menschen. Und der Herr, das ist Gott. Für Menschen ist vieles im Leben unmöglich. Aber nicht für Gott; denn für Gott ist nichts unmöglich. Und genau in diesem letzten Satz steckt die Frohe Botschaft dieses heutigen Evangeliums: Für Gott ist alles möglich. Und wir dürfen sicher sein: Gott wird auch alles Mögliche tun, damit der Menschen am Ende sein Ziel erreicht. Denn der Mensch ist ihm wichtig.

In diesem Evangelium ist die Einladung enthalten, sich Gott mit seinem Leben anzuvertrauen. Nicht nur auf das zu vertrauen, was der Mensch so besitzt, sondern noch viel mehr auf Gott; auf einen Gott, der retten und helfen wird – egal wie belastet und wie schwer beladen der Mensch auch sein mag. Vertrauen auf Gott, der für den Menschen alles tun wird, damit er zu Gott gelangt, weil der Mensch ihm so kostbar und wertvoll ist.

Jesus sagt: "Ihr werdet einen bleibenden Schatz im Himmel erhalten." Auch wenn der Mensch keinen Diamanten besitzt, kann er doch einen Schatz im Himmel anstreben.

Musik: Johann Sebastian Bach - Aria: Jesu, lass uns auf dich sehen - CD J.S. Bach – Osteroratorium

Musikauswahl: Regionalkantor Armin Press, Hanau

 

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