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Wie eine Wetzlarer Kerze nach Lampedusa kommt
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Wie eine Wetzlarer Kerze nach Lampedusa kommt

Sabine Müller-Langsdorf
Ein Beitrag von Sabine Müller-Langsdorf, Evangelische Pfarrerin, Zentrum Oekumene, Frankfurt
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Vor kurzem bekam ich Post aus Italien. Von der Insel Lampedusa. Ich kannte den Absender nicht, aber dem Gruß war ein Foto beigelegt. Darauf eine Kerze in einer Kirche. Nichts Besonderes eigentlich, aber beim genauen Hinsehen erkannte ich die Kerze. Sie ist schon vier Jahre alt und wurde in einer Kerzenfabrik im Westerwald gegossen: 12 Zentimeter Durchmesser, 80 Zentimeter hoch und ganz in Weiß. Eine klassische Altarkerze.

Eine verzierte Altarkerze mit einer Friedensbotschaft

Mein katholischer Kollege aus Wetzlar hatte sie mir damals nach Frankfurt gebracht, damit ich sie an eine Frau in Wiesbaden weitergebe. Die versteht es, Kerzen zu verzieren. Die Wiesbadenerin platzierte auf dieser Kerze eine Friedensbotschaft für das Jahr 2016: Menschen reichen einander die Hand. Geflüchtete finden Hilfe, Schutz und Aufnahme.

Eine "Wanderfriedenskerze" unterwegs im Rhein-Main-Gebiet

Von Wetzlar über Frankfurt nach Wiesbaden. Diese Friedenskerze hatte also schon drei Stationen hinter sich. Und sie wanderte weiter in viele Gemeinden im Rhein-Main-Gebiet. Wurde zu Friedensgebeten und Gottesdiensten als „Wanderfriedenskerze“ angezündet.

Die Wanderfriedenskerze reist nach Thessaloniki zur Flüchtlingsinitiative NAOMI

Danach nahm ich sie in meinem Koffer mit nach Thessaloniki in Griechenland. Dort gibt es im historischen Schneiderviertel die Flüchtlingsinitiative NAOMI. Geflüchtete Menschen lernen hier das Schneiderhandwerk. Arbeit, Lohn und Brot sind das Ziel. Fast von selbst kommen Sprachkenntnisse und Freundschaften hinzu. Ein gelungenes Beispiel gelebten Friedens. Dorthin habe ich meine Wanderfriedenskerze gebracht. In der Schneiderwerkstatt brannte sie nun immer, wenn etwas Trauriges passiert war, wenn jemand Geburtstag hatte oder wenn Besuch kam.

Ein Licht für Rom

Einmal waren die Leute von NAOMI zu einem internationalen Austausch nach Rom eingeladen. Im Gepäck nahmen die Griechen die Wanderfriedenskerze mit und schenkten sie den Römern. „Hier, ein Licht für euch. Wenn es schwer wird. Wenn es besonders schön ist. Setzt euch zusammen. Schweigt, betet, denkt nach, gebt die Hoffnung nie auf. Stellt euer Licht nicht unter den Scheffel.“

Von Rom nach Lampedusa

Und nun habe ich also Post von Lampedusa bekommen mit einem Foto von dieser Kerze. Sie ist offensichtlich von Rom weitergewandert auf diese Insel im Mittelmeer, die auf der Route der Boote zwischen Afrika und Europa liegt. Wenn ich das Foto anschaue, sehe ich: Die Kerze ist viel kleiner geworden. Das Motiv der Wiesbadener Kerzengestalterin ist aber noch zu erkennen: Menschen reichen einander die Hände.

Eine Kerze: ein Beitrag zum Frieden

Mir macht es Mut, dass an so vielen Orten Menschen in ganz unterschiedlicher Weise ihren Beitrag zum Frieden leisten: der Kollege aus Wetzlar, der die Kerze fährt, die Frau in Wiesbaden, die sie gestaltet, die Gemeinden in Rhein-Main, die sich zum Friedensgebet treffen. Die Schneiderwerkstatt in Thessaloniki, die Geflüchteten Arbeit und Würde gibt, die Engagierten in Rom. Nun steht die Kerze in Lampedusa in einer Kirche. Sie erinnert daran, dass Gott alle Wege mitgeht und bei denen ist, die es schwer haben. Jesus sagt in der Bergpredigt: „Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen.“ (Matthäus 5,9)

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