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Oskar Schindler in Frankfurt
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Oskar Schindler in Frankfurt

Heidrun Dörken
Ein Beitrag von Heidrun Dörken, Evangelische Pfarrerin, Senderbeauftragte für den Hessischen Rundfunk

Es war Mitte der sechziger Jahre in Frankfurt in einem Mietshaus gegenüber dem Hauptbahnhof. Der damalige Frankfurter Stadtjugendpfarrer Dieter Trautwein steigt die Treppen hoch. Er sucht einen Mann, über den er etwas Verblüffendes herausgefunden hatte in einem Buch mit dem Titel: „Die unbesungenen Helden“ .

Was er liest, kommt ihm wie ein Märchen vor. Der Mann sollt 1200 Jüdinnen und Juden vor der Ermordung in KZs gerettet haben. Wenn das stimmt, müsste das doch allgemein bekannt sein! Und er selbst müsste ihn als geehrten Bürger seiner Stadt längst kennen. Im obersten Stock an der letzten Tür rechts findet er ein handgeschriebenes Klingelschild mit dem Namen: Oskar Schindler.

Heute kennt jeder diesen Namen aus Steven Spielbergs Kinofilm der neunziger Jahre „Schindlers Liste“ . Erst durch den Film wurde Oskar Schindler weltweit bekannt. Da war er schon lange gestorben. Schindlers Liste wurde zum Symbol für das, was wenige Einzelne unter unfassbaren Umständen vollbracht haben, um Menschen zu retten. Als Fabrikdirektor im besetzten Polen und in Tschechien fertigte Oskar Schindler mit seinen jüdischen Mitarbeitern die berühmte Liste an. Darauf die Namen von Menschen, die er damit aus KZs herausbrachte als vermeintlich kriegswichtige Arbeiter für seine Emaille- und Munitionsfabrik.
Am Ende waren es 1200 Männer, Frauen und Kinder. Dafür musste Oskar Schindler lügen, bestechen und mit den Mördern der SS kooperieren. Er hat sein Leben riskiert und sein Vermögen für Bestechungsgelder und Lebensmittel verbraucht.

Als Oskar Schindler Mitte der sechziger Jahre Dieter Trautwein die Tür seiner Ein-Zimmer-Wohnung öffnete, waren seine Versuche gescheitert, nach dem Krieg wirtschaftlich neu anzufangen. Unterstützt von einigen seiner Geretteten, die inzwischen in den USA und Israel waren, lebte er unbekannt und in einfachen Verhältnissen. Dieter Trautwein bittet Schindler, bei einem „Tag der Evangelischen Jugend“ zu erzählen, zusammen mit einem der geretteten Männer aus den USA. Obwohl hunderte Besucher dabei waren und Zeitungen und Radio berichteten - eine große öffentliche Wirkung hatte das nicht.

Warum war das Erinnern damals so schwer? Dieter Trautwein vermutet: Wer nicht versucht hatte zu helfen, fühlte sich angeklagt durch einen, der es getan hat. Erst Recht die Täter, von denen einige wieder ansehnliche Stellungen bekleideten. Außerdem stellte man sich einen Lebensretter strahlender vor als einen in die Jahre gekommenen, inzwischen erfolglosen Mann. Oskar Schindler selbst hat zu seinen Motiven nur einen Satz gesagt: „Wer die sadistische (...) Verfolgung dieser Menschen(…) erlebt hat, der musste statt eines Herzens einen Stein in sich haben, wenn er da nicht Mitleid empfunden und eine Aufgabe gefühlt hat, zu helfen.“

Wer heute die großen Worte Liebe, Gerechtigkeit und Hoffnung in den Mund nimmt, muss an Menschen erinnern, die versucht haben, die großen Worte zu leben. Ein Denkmal für ihn gibt es in Frankfurt nicht. Eine kleine Straße wurde nach ihm benannt, sie liegt weit vom Zentrum entfernt am Ortsrand . Immerhin gibt es an seinem Frankfurter Wohnhaus eine Plakette . Auf der ist von seinem Mut die Rede und von der Trägheit vieler, die beschämt. Und eine Frage ist dort aufgeschrieben: Wer hilft heute?

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