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Nicht nur Fernes fasziniert...
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Nicht nur Fernes fasziniert...

Christoph Schäfer
Ein Beitrag von Christoph Schäfer, Katholischer Religionslehrer, Rüsselsheim

In den Herbstferien fahren wir jetzt noch mal kurz weg. Aber dann ist es mit dem Reisen leider für eine Weile vorbei. Ich hab mir aber vorgenommen: Urlaub mach ich trotzdem. Und zwar zuhause. Denn ich will ab und zu mal versuchen, mit anderen Augen durch vertraute Straßen gehen. Sozusagen mit Urlaubs-Augen. Auf diese Idee gebracht hat mich ein Erlebnis in den letzten Ferien:  gleich beim Start in den Urlaub - im Bus Richtung Bahnhof. Von dort sollte es dann Richtung Italien gehen. Für mich ist diese Bus-Strecke zum Bahnhof eigentlich so alltäglich, dass ich sie gar nicht richtig wahrnehme. So auch dieses Mal: Ich hatte die Augen geschlossen, die Vorstadthäuser links und rechts keines Blickes gewürdigt – und mich schon Richtung Urlaubsziel vorausgeträumt.

Dabei habe ich aber plötzlich ein paar Worte aufgeschnappt, die offenbar der hinter mir sitzende Passagier zu seiner Nachbarin oder seinem Nachbar gesagt hat. Mit leiser, aber kräftiger Stimme hatte er erklärt: „Das Haus da an der Ecke ist das erste, das hier in der Gegend stand.“ Reflexhaft habe ich die Augen geöffnet und nach draußen geschaut: Ich hatte dieses schmucklose Gebäude noch nie bewusst wahrgenommen. Und nun habe ich dem Haus unwillkürlich anerkennend zugenickt.

Jetzt habe ich die Ohren gespitzt: Ich war neugierig auf das geworden, was mein Hintermann noch alles erzählen würde. Und in der Tat entwickelte sich die Busfahrt für mich zu einer ganz unverhofften und sehr informativen Stadtführung durch mein eigenes Wohngebiet: Ich hab erfahren: Der Parkplatz neben der Bankfiliale war früher Teil eines  verwilderten Obstgartens. Und ein Baum von diesem Obstgarten ist sogar noch auf dem Nachbargrundstück zu bewundern. Besonders anschaulich hat mein Hintermann dann berichtet, wie sich viele Einwohner weit vor meiner Zeit dafür eingesetzt haben, dass der auf den ersten Blick eher unspektakuläre Beton-Kirchturm errichtet wurde. Ich habe interessiert zugehört und dabei so inspiriert aus dem Fenster geschaut, wie ich das sonst nur bei einer Sightseeing-Tour an einem exotischen Urlaubsziel mache.

Beim Aussteigen am Bahnhof habe ich mir vorgenommen: Ich will öfter mit anderen, offenen Augen durch mein eigenes Viertel laufen. Und mit offenen Ohren für Geschichten, die mir andere erzählen. Im Herbst will ich mir immer wieder bewusst Zeit dafür nehmen – für diesen Urlaub zuhause.

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