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Licht und Finsternis am 9. November
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Licht und Finsternis am 9. November

Ein Beitrag von Mirjam Jekel, Evangelische Theologin, Rüsselsheim
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Der 9. November ist ein wichtiger Tag für alle in Deutschland. Ein Tag von Licht und ein Tag von Finsternis.

"Ohne den 9. November 1989 wäre mein Leben anders verlaufen"

Ich persönlich bin an diesem Tag dankbar: Denn ohne den 9. November 1989 hätte ich meinen Mann nicht kennengelernt. Er kommt aus Dresden, ich aus Wiesbaden. Seine Eltern sind nach dem Fall der Mauer nach Kassel gezogen, und wir haben uns dann in Marburg kennengelernt und verliebt.

Wäre die Mauer nicht gefallen, wäre das nicht passiert. Und deswegen bin ich dankbar. Dankbar für alle, die damals 89 in der DDR den Mut hatten zu protestieren. Dankbar, dass es friedlich blieb, dass die Armee nicht geschossen hat. Dankbar, dass es die Grenze zwischen Ost und West nicht mehr gibt. Deshalb ist der 9. November für mich erstmal ein heller Tag.

Am selben Tag das Erinnern an die Novemberpogrome

Gleichzeitig ist der 9. November ein finsterer Tag. Der 9. November 1938 war der Tag der Novemberpogrome. Der Tag der splitternden Scheiben, der Plünderer, der brennenden Synagogen. Noch viel mehr: der Tag der Menschen, die verzweifelt waren, Angst hatten um ihr Leben oder sogar ihr Leben verloren haben. Und ein Tag der Menschen, die nicht geholfen haben, die das nicht verhindert haben, die mitgemacht haben.

Eine Zeit, in der die Hoffnung fast ausgelöscht wurde. Sie war nur noch ein glimmender Funke, mühsam am Leben gehalten. Am 9. November denke ich an die Shoa, die Vernichtung von sechs Millionen deutschen und europäischen Jüdinnen und Juden.

Beginn der Shoa - Beginn der Wiedervereinigung

Der Beginn der Shoa und der Beginn der Wiedervereinigung – beides ist an einem 9. November passiert. Deshalb ist für mich der Tag dunkel und hell. Ich bin traurig, ich bin dankbar.

Vor allem sehe ich den 9. November als Aufforderung. Wir sollen auf das Licht aufpassen. Gerade da, wo ich bei uns und in Europa erlebe, dass Antisemitismus wächst und Jüdinnen und Juden beleidigt, bedroht, verletzt werden.

Manchmal fürchte ich, es könnte wieder finster werden. Aber ich weiß, es gibt viele, die sich für das Licht einsetzen. Und das ermutigt mich: Ich bin sicher, die Finsternis wird nicht gewinnen. Das Licht strahlt weiter.

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