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Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Helmut Schlegel
Ein Beitrag von Helmut Schlegel, Franziskanerpater, Exerzitienbegleiter und Geistlicher Begleiter, Frankfurt
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Humor ist, wenn man trotzdem lacht, sagt das Sprichwort. Witze erzählen fast immer Geschichten, in denen etwas schief geht.

An einem Wallfahrtsort läuft ein junger Mann aufgeregt durch die Reihen der Gläubigen. Jetzt kann ich laufen! ruft er. Ein älterer Herr springt von seinem Sitz auf und jubelt: Die Madonna hat schon wieder ein Wunder gewirkt! -  Nee, sagt der junge Mann, jemand hat mir das Fahrrad geklaut! –

Über das Missgeschick lachen, weiterleben wieder aufstehen, den Staub aus den Kleidern schütteln - das ist Humor.

Der Auftakt für die närrische Saison 2020 ist längst gemacht und wir steuern schon dem Höhepunkt zu. Im Rhein-Main-Gebiet, wo ich lebe, geht es jetzt hoch her in den närrischen Hochburgen. Narrenbälle, demnächst auch Altweiberfastnacht und Rosenmontagsumzüge - das Angebot ist reichlich. Gut, dass wir lachen können - gerade auch in sehr ernsten Zeiten. Joachim Ringelnatz, der Kabarettist und Schriftsteller hat es auf den Punkt gebracht: „Humor ist der Knopf, der verhindert, dass uns der Kragen platzt.“

Gut, wer über sich selbst lachen kann

Tatsächlich ist das Leben manchmal ganz schön verrückt. Ich kann mich dagegen wehren. Manchmal hilft das. Aber oft hilft auch das nicht. Lachen ist eines der besten Mittel gegen die Ungereimtheiten des Lebens. Wie gut, wenn ich auch über mich selbst lachen kann. Ein Witz geht so:

Ein kräftiger Mann kommt nach dem Duschen aus dem Bad und sagt zu seiner Frau: Der Badspiegel ist doch sehr rücksichtsvoll. Jedes Mal, wenn ich aus der Dusche komme und mich vor den Spiegel stelle, ist er beschlagen. –

Gute Witze zeigen unsere Unvollkommenheit. Aber sie helfen uns, an unseren Schwächen nicht zu scheitern, sondern besser mit ihnen klar zu kommen.

Musik: Guiseppe Tartini, Sonate g-moll, Nr. 4: allegro commodo (Duo Modus - Werke für Violine und Konzert-Akkordeon)

Wird auch in der Bibel gelacht? Ja, oft sogar. Allein im ersten Testament entdecke ich 40 Mal das Wort „lachen“. Da ist zum Beispiel Sara, Abrahams Frau. Sie ist bereits 90 Jahre alt, als sie und ihr Mann eines Tages Besuch bekommen. Sie leben als Nomaden in Mamre, einem Ort im heutigen Westjordanland. Die drei Besucher kommen inkognito. In Wirklichkeit sind es Engel. Während Abraham mit ihnen tafelt, lauscht Sara im Zelt nebenan und hört, wie diese Engel ankündigen: Sara wird in Kürze schwanger werden! Da lacht sie los: Ist ja wohl ein Witz, mit 90 noch ein Kind bekommen. Sara erinnert sich: Bevor sie und Abraham vor vielen Jahren aus Ur in Chaldäa, ihrer ersten Heimat, aufgebrochen sind, hatte ihnen Gott versprochen: „Eure Nachkommen sollen zahlreich sein wie die Sterne am Himmel“. Darauf hatten sie vertraut und sich auf die Reise in ein unbekanntes Land gemacht. - Und was ist daraus geworden? Gar nichts! Sara ist maßlos enttäuscht: Was ist das nur für ein Gott, der die Menschen so hängen lässt? - Ich kann Sara gut verstehen. Die Enttäuschung hat sie aus der Bahn geworfen. Es ist wohl eher ein sarkastischer Verzweiflungslaut als ein frohes Lachen, das aus ihrer Kehle kommt.

In der weiteren Erzählung geschieht dann doch das Wunder: Sara bekommt in ihrem hohen Alter einen Sohn. Der Junge wird Isaak genannt. Das heißt übersetzt – und das ist kein Witz! -: Gott hat gelacht. Oder auch: Gott hat gescherzt. Mir macht diese Lach-Geschichte aus der Bibel Mut. Ich schaue auf die drei Engel und frage mich: Wo sind in meinem Leben solche Inkognito-Gottesboten? Frauen, Männer, Kinder, die mir Mut machen. Die mich ahnen lassen, was bei Gott alles möglich ist. Die mir helfen, dass ich meine Hoffnungen nicht allzu schnell begrabe. 

Wie steht die Bibel zum "Lachen"?

Unter den biblischen Schriftstellern gibt es auch so manchen Miesepeter. Leute, die - wie wir heute sagen würden - zum Lachen in den Keller gehen. Da ist zum Beispiel einer mit dem verräterischen Namen „Prediger“. Der sagt:

Über das Lachen sagte ich: Wie verblendet! über die Freude: Was bringt sie schon ein? (Pred 2,2,).

Und ein paar Kapitel später kommt es noch schlimmer:

Wie das Prasseln der Dornen unter dem Kessel, so ist das Lachen des Ungebildeten.“ (Pred 7,6)

Zum Glück gibt es auch andere Stellen. So z.B. den großartigen Psalm 126, wo es heißt:

„Als der HERR das Geschick Zions wendete, da waren wir wie Träumende.Da füllte sich unser Mund mit Lachen und unsere Zunge mit Jubel. Da sagte man unter den Völkern: Groß hat der HERR an ihnen gehandelt!Ja, groß hat der HERR an uns gehandelt. Da waren wir voll Freude.Wende doch, HERR, unser Geschick wie die Bäche im Südland!Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten. Sie gehen, ja gehen und weinen und tragen zur Aussaat den Samen. Sie kommen, ja kommen mit Jubel und bringen ihre Garben.“ (Psalm 126, 1-6)

Es muss ein überwältigendes Erlebnis gewesen sein - damals, als die jüdischen Gefangenen aus ihrem Exil im Babylon wieder in ihr Land zurückkehren durften. Es war wie ein Traum. Sie haben gelacht, getanzt und gesungen.

Musik: Alfred Schnittke, Suite im alten Stil, Nr. 5, Pastorale (Duo Modus – Werke für Violine und Konzert-Akkordeon)

Hat Jesus gelacht? Leider steht darüber nichts in der Bibel. Jedenfalls nicht wörtlich. Auf keinen Fall war er ein traurig dreinschauender Asket. Er ließ sich oft und gerne zu Festmählern einladen und war kein Kostverächter. Seine Gegner haben ihm daraus einen Strick gedreht und ihn als „Fresser und Säufer“ verleumdet. Ich bin sicher, er hat viel und gerne gelacht. Er hat die Eingebildeten entzaubert, die Gedemütigten aber aufgerichtet. „Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ (Lk 6,21). So lautet eine seiner Seligpreisungen in der Bergpredigt.

Der göttliche Kabarettist Jesus

Wenn ich die Reden und Gleichnisse Jesu unter dem Aspekt „Humor“ ansehe, dann blitzt da nicht selten auch eine handfeste Ironie auf. Ein Kamel geht leichter durch ein Nadelöhr als die Reichen ins Himmelreich, sagt er. Das ist doch ein gezielter Seitenhieb gegen die wohlsituierten Leute, die in teuren Kleidern mit Quasten und großen Hüten daherkommen. Oder die Warnung an den Scheinheiligen, dem er ins Gewissen redet: „Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken!“ (Mt 7,4) Welch beißende Kritik an den selbsternannten Moralaposteln! Die große Zahl seiner Zuhörerinnen und Zuhörer wussten solche Provokationen zu schätzen: der hat‘s denen da oben mal wieder gesagt. Ich finde, es ist keine Häresie, Jesus einen göttlichen Kabarettisten zu nennen.

Musik:Alfred Schnittke, Suite im alten Stil, Nr. 6, Ballett (Duo Modus – Werke für Violine und Konzert-Akkordeon)

Ich glaube, Jesus hatte manchen Schalk im Nacken. Und er verstand es großartig, die verlogenen Autoritäten seiner Zeit mit spitzer Zunge aufs Korn zu nehmen. Dann hatte er die Lacher auf seiner Seite und seinen Gegnern schwoll der Kamm. Eines Tages ist Jesus im Tempel und lehrt. Dafür braucht er aber eine Lizenz oder wie es damals hieß: eine Vollmacht. Die Tempelautoritäten kommen und stellen Jesus eine Frage:

In welcher Vollmacht tust du das und wer hat dir diese Vollmacht gegeben?Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Auch ich will euch eine Frage stellen. Wenn ihr mir darauf antwortet, dann werde ich euch sagen, in welcher Vollmacht ich das tue.Woher stammte die Taufe des Johannes? Vom Himmel oder von den Menschen? Da überlegten sie und sagten zueinander: Wenn wir antworten: Vom Himmel!, so wird er zu uns sagen: Warum habt ihr ihm dann nicht geglaubt?Wenn wir aber antworten: Von den Menschen!, dann müssen wir uns vor den Leuten fürchten; denn alle halten Johannes für einen Propheten.Darum antworteten sie Jesus: Wir wissen es nicht. Da erwiderte er: Dann sage auch ich euch nicht, in welcher Vollmacht ich das tue.“ (Mt 21.23-27)

Ich kann mir das Gelächter auf dem Tempelplatz vorstellen. Jesus hatte geschickt gekontert. Die Mienen seiner Gegner würde ich gerne sehen. Sie wussten nichts mehr zu sagen und mussten beschämt abziehen. Das Gesicht Jesu würde ich auch gerne sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er mit versteinerter Miene zusah. Ich wette, er hat gelacht.

Musik:Alfred Schnittke, Suite im alten Stil, Nr. 8, Fuge (Duo Modus – Werke für Violine und Konzert-Akkordeon)

Unter manchen Theologen kursiert die Frage, ob Jesus den einen oder anderen seiner Freunde mit Spitznamen angeredet habe. Dem flatterhaften und wankelmütigen Simon gab er den Namen „Petrus“. Das bedeutet „Fels“, und Simon war das gerade Gegenteil. Es klingt wie eine Satire, wenn der Evangelist Matthäus in seiner Passion schreibt:

„Jesus sagte zu (Petrus): Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.Da sagte Petrus zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müsste - ich werde dich nie verleugnen.“ (Mt 26.34.f.)

Und dann am späten Abend das Fiasko. Im Gerichtsgebäude spricht der Hohe Rat das Todesurteil über Jesus. Petrus und andere sitzen währenddessen draußen im Hof um ein Feuer. Eine Magd erkennt den Jünger und spricht ihn an. Er aber verleugnet Jesus: Ich kenne diesen Menschen gar nicht.

Das Leben ist eine göttliche Komödie

Petrus wird in der katholischen Kirche der „Stellvertreter Christi“ genannt. Hier - in der Passionsgeschichte steht er wohl eher als Stellvertreter für uns. Er vergisst alles, was ihm bisher heilig war. Er steht als Symbolfigur für unsere Wankelmütigkeit und Feigheit. Er steht auch für mich. So ist der Mensch. Muss man daran nicht verzweifeln? Eben nicht. Das ist der Trost der Bibel: Wie Petrus eine zweite und dritte und immer wieder eine neue Chance bekommt hat, so auch ich. Das ist eine der Verrücktheiten Gottes. Und irgendwie eben auch zum Lachen. Mit Dante möchte ich sagen: Das Leben ist eine göttliche Komödie.

Musik: Luigi Boccherini, 3 Gitarren-Quintette, Melos Quartett, Nr. 1

Die Wurzel des christlichen Humors ist Ostern. Es ist die Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. Die Hoffnung hat eine Vision: Am Ende, nach all dem Ärger und Verdruss, den das Leben mit sich bringt, wird sich eine Türe auftun zu einem neuen Leben in Gott. Im Mittelalter gab es das so genannte Osterlachen. Der Pfarrer erzählte in der Kirche Witze und humorvolle Anekdoten. Manche Prediger imitierten Tiere, sie schnatterten wie Gänse oder wieherten wie Pferde. Der Ruf „Christus ist auferstanden“ am Schluss der Messe wurde nicht nur mit Halleluja quittiert, sondern mit Applaus und lautem Lachen. Das Osterlachen richtet sich schadenfroh gegen Tod und Teufel, die mit der Auferstehung Jesu endgültig bezwungen sind. So kam es wohl auch zu dem Sprichwort: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“

Lachen als Form des gewaltfreien Widerstands

Die Hoffnung auf ein Leben über den Tod hinaus steht im Mittelpunkt der Osterbotschaft. Nicht weniger wichtig ist die Hoffnung auf ein menschenwürdiges Leben vor dem Tod. Die Osterbotschaft richtet sich gegen jede Form von Unterdrückung und Gewalt. Der gedemütigte, am Boden liegende Mensch steht auf. Er besinnt sich auf seine Würde und Stärke und bietet den Unterdrückern die Stirn. Ostern ist subversiv - ähnlich wie Karneval. Fastnachter haben das Recht, sich über die Mächtigen in Kirche und Staat lustig zu machen. Lachen ist eine Form des gewaltfreien Widerstands. Nicht von ungefähr fürchten sich die Diktatoren aller Zeiten vor Witz und Humor. Sie befürchten, das Gelächter könnte ihre Macht und Autorität untergraben.

Musik: Luigi Boccherini, 3 Gitarren-Quintette, Melos Quartett, Nr. 7

Noch sind es zwei Monate bis Ostern. Zuvor die siebenwöchige Fastenzeit. Und davor die närrischen Tage des Karne-vals. „Leb wohl, Fleisch!“, so kann man dieses Wort übersetzen. Wobei es zwei Deutungen gibt. Die eine sagt: Nach dem Karneval ist die Zeit, dem Fleisch zu entsagen. Und nicht nur dem Fleisch, sondern so ziemlich allen Genüssen des Lebens.

Die andere Deutung geht eher in Richtung Ostern: Wir werden auferstehen - mit Leib und Seele. Wir haben eine Hoffnung auf Leben - auch über den Tod hinaus. Wie das sein wird, bleibt Gottes Geheimnis. Demnach ist dann auch die Zeit nach Karneval keine sauertöpfische Bußzeit, sondern eine intensive Erfahrung. Der Verzicht auf Konsum und Zerstreuung wird uns helfen, bewusster zu leben. So gesehen ist Karneval schon ein Vorgeschmack auf Ostern.

In dieser fastnachtlich-österlichen Stimmung möchte ich diese Morgenfeier gerne mit einer kleinen Büttenrede beenden.

Was ist Humor, was macht dir Spaß?
Was geht da vor? Wie kommt es, dass
du lachen kannst und lustig sein -
auch ohne Schnaps und ohne Wein?
Wie kommt es, dass du fröhlich bist,
auch wenn das Leben schwierig ist?

Ich weiß warum, ich kenn‘ den Grund:
Humor ist menschlich und gesund,
und wenn du lachst - das kann man sehn -
ist dein Gesicht so richtig schön!
Ich sag es laut, ich sag es sacht:
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Die Welt, sie kann dich närrisch machen;
Mit all den vielen schrägen Sachen.
Da hilft es nicht, in stillen Kammern
verbissen vor sich hin zu jammern. 
Hab Mut, zu kichern und zu lachen!
Hab Mut, auch mal den Clown zu machen!

Sag nein zum Hassen und zum Hetzen
Lass das verbale Messerwetzen.
Am besten: du lachst über dich,
da hast du Stoff - genau wie ich.
Denk dran - auch wenn‘s im Leben kracht:
Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Glaub mir, dein Lachen ist ein Segen,
den dir der Schöpfer hat gegeben.
Und glaub mir, ich sag‘s unumwunden:
Die Fasnacht hat er auch erfunden.

Er goss Humor in deinen Geist,
Damit, wenn du nicht weiterweißt
und wenn es schräg läuft hie und da,
du lachen kannst: hihi, haha!
Drum freu dich an der Fassenacht:
Humor ist, wenn man trotzdem lacht!

Musik: Luigi Boccherini, 3 Gitarren-Quintette, Melos Quartett, Nr. 10

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